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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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was keine Sorgen zu
machen.«
    »Ganz meiner Meinung. Ich habe
schon mit dem Minister darüber gesprochen. Was wir brauchen, ist ein
Ausbildungszentrum. Er war ganz begeistert. Er ist jetzt ganz scharf auf so
etwas. Sie haben dort schon eine Abkürzung dafür. Sie sprechen von SAEs. Strategische
Aufklärungs-Einsätze. Er meint, wir sollen ein Haus suchen und es zunächst für
sechs Monate mieten. Er hat vorgeschlagen, daß er wegen des Pachtvertrags mit
dem Schatzamt sprechen wird.«
    »Das ist großartig«, sagte Avery.
»Es könnte sehr nützlich sein. Wir dürfen auf keinen Fall das in uns gesetzte
Vertrauen enttäuschen.«
    »Natürlich.«
    Ein plötzlicher Luftzug und das
leise Geräusch, wie jemand vorsichtig die Treppe heraufstieg. In der Tür zum
Dachboden erschien eine Gestalt. Sie trug einen teuren Mantel aus braunem Tweed
mit etwas zu langen Ärmeln. Es war Smiley.
     
    22. Kapitel
     
    Smiley sah
sich im Raum um, betrachtete Johnson, der jetzt die Kopfhörer über den Ohren
hatte und mit den Schaltern und Knöpfen seines Gerätes beschäftigt war, sah
auf Avery, der über Haldanes Schulter hinweg auf die Funkzeichentabelle spähte,
auf den steif wie ein Soldat dastehenden Leclerc, der ihn, als einziger bisher,
bemerkt hatte, und dessen Gesicht - obwohl es ihm zugewandt war - keinen
Ausdruck zeigte.
    »Was
wollen Sie hier?« fragte Leclerc schließlich.
    »Was
wünschen Sie von mir?«
    »Tut mir
leid, aber man hat mich geschickt.«
    »Das hat
man uns alle«, sagte Haldane, ohne sich zu bewegen.
    Ein
warnender Unterton schwang in Leclercs Stimme mit, als er sagte: »Das ist meine
Operation, Smiley. Wir haben hier keinen Platz für Ihre Leute.« Smileys Miene
verriet nichts als Mitgefühl, und in seiner Stimme lag nichts als die
erschreckende Sanftmut, mit der man zu Irren spricht.
    »Ich bin
nicht von Control geschickt worden«, sagte er. »Es war das Ministerium. Sie
haben mich angefordert, verstehen Sie, und Control gab mich frei. Das
Ministerium stellte das Flugzeug.«
    »Warum?«
erkundigte sich Haldane. Er schien fast belustigt.
    Einer nach dem anderen bewegte
sich, als erwachten sie aus dem gleichen Traum. Johnson legte vorsichtig seine
Kopfhörer auf den Tisch. »Nun?« fragte Leclerc. »Warum hat man Sie geschickt?«
    »Man rief
mich in der vergangenen Nacht ins Ministerium.« Es gelang ihm anzudeuten, daß
er ebenso verwirrt war wie sie. »Ich müßte Ihre Operation wirklich bewundern -
die Art, in der Sie und Haldane die ganze Sache aus dem Nichts aufgebaut haben.
Man hat mir die Akten gezeigt. Sehr sorgfältig geführt: das Archiv-Stück, die
Arbeitskopie, die abgestempelten Protokolle - alles wie im Krieg. Ich
gratuliere Ihnen aufrichtig.«
    »Man hat
Ihnen die Akten gezeigt? Unsere Akten?«
wiederholte Leclerc. »Das ist ein Bruch der Sicherheitsbestimmungen. Die
Vorgänge in den einzelnen Abteilungen sind geheim. Sie haben sich eines Vergehens
schuldig gemacht, Smiley. Diese Leute müssen verrückt sein! Adrian, hast du
gehört, was Smiley mir mitgeteilt hat?«
    Smiley
fragte: »Ist für heute ein Funkkontakt vorgesehen, Johnson?«
    »Jawohl, Sir. Um einundzwanzig
nullnull.«
    »Ich war überrascht, Adrian, daß
Sie die Hinweise für überzeugend genug hielten, um eine so große Operation zu
rechtfertigen.«
    »Haldane
war nicht dafür verantwortlich«, sagte Leclerc trocken.
»Es war eine Entscheidung, die gemeinsam getroffen wurde: von uns einerseits,
vom Ministerium andererseits.« Seine Stimme wechselte ihren Klang. »Wenn die
Sendung beendet ist, werde ich von Ihnen Aufklärung darüber verlangen - und ich
habe das Recht dazu, Smiley -, wie Sie dazu gekommen sind, Einsicht in unsere
Akten zu nehmen.« Es war seine Stimme für Vorstandssitzungen; sie war kräftig
und volltönend, und zum erstenmal klang sie würdig.
    Smiley
trat in die Mitte des Raumes. »Es ist etwas passiert, von dem Sie nichts wissen
können: Leiser hat an der Grenze einen Mann getötet. Er brachte ihn während des
Grenzübertritts mit seinem Messer um, drei Kilometer von hier entfernt, direkt
an der Übergangsstelle.«
    Haldane
sagte: »Das ist Unsinn. Wieso Leiser? Genausogut kann es ein Flüchtling
gewesen sein, der nach dem Westen wollte. Irgendwer kann es gewesen sein.«
    »Sie
fanden Fußspuren, die nach Osten führten, Blutspuren in der Bootshütte am See.
Die Zeitungen in Ostdeutschland sind voll davon. Seit gestern mittag strahlen
sie es über den Rundfunk aus...« Leclerc schrie: »Ich glaube einfach nicht,

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