Das blaue Haus (German Edition)
Einleitung:
Dane Gelton ist eigentlich tot, wobei das Wort eigentlich schon darauf hindeutet, etwas unsicher oder nicht zu sein. Ich will es so formulieren: Wir alle dachten, dass Dane Gelton tot sei. Alles deutete darauf hin, und niemand hegte irgendwelche Zweifel.
Ich, Jim Clark, sein bester Freund, hatte sein letztes Gespräch mit ihm geführt und seinen Amoklauf hautnah miterlebt. Er wurde gefasst und in eine Psychiatrie eingewiesen. Seine Frau Sarah hatte ihn dort wochenlang besucht. Dane aber hatte jede Kontaktaufnahme verweigert und verstarb vor den Augen seiner Frau am 18. Dezember 1996.
Sein Arzt, Dr. Brickson, hatte seinen Tod bestätigt. Das Beerdigungsinstitut Peace by Pearson hatte ihn unter die Erde gebracht. Was also sollte uns in Zweifel stürzen? Eine ganz logische Abfolge hatte sich vor unseren Augen abgespielt. Ein Amokläufer, der sich selbst richtete.
Doch wie immer war alles, was Dane Gelton in seinem Leben getan hat, eine Täuschung. So hatte er auch seinen Tod vorgetäuscht. Und wir haben ihm die Inszenierung wieder einmal abgenommen.
Um die folgende Geschichte zu verstehen, muss ich hier etwas ausholen: Dane kam mit 23 Jahren völlig mittellos bei uns in Glendale bei Los Angeles an. Ich war derzeit als Chirurg tätig und lernte ihn kennen, als er sich das Bein brach. Bei der Behandlung erfuhr ich von seiner Suche nach Arbeit und stellte ihm Johnathan vor, der schon lange ein Restaurant eröffnen wollte. Da sich beide blendend verstanden, kauften sie ein altes Gebäude in Glendale und führten dort 15 Jahre lang einen erfolgreichen Gastronomiebetrieb.
In dieser Zeit erlebten wir Dane als einen fröhlichen, humorvollen und vertrauenswürdigen Menschen.
Dann passierte etwas, das seinen und unseren ganzen Alltag aus der Bahn warf: Dane geriet in einen Überfall und wurde zusammengeschlagen. Wenn es mal dabei geblieben wäre. Dann hätte sich sein Leben wahrscheinlich auch wieder regeneriert. Aber es blieb nicht dabei. Er wurde anschließend vergewaltigt. Das war der Auslöser einer Katastrophe.
Wir alle wussten nicht, dass Dane ein missbrauchtes Kind war. Man hatte ihn jahrelang in einer Scheune auf der Farm seiner Eltern gepeinigt und damit ein Trauma ausgelöst.
Nach Jahren der Verdrängung kam dieses Erlebnis posttraumatisch wieder an die Oberfläche seiner Gefühle.
Er verlor seine gesamte Persönlichkeit, sodass wir uns gezwungen sahen, ihn in eine Klinik für Psychoanalyse und Verhaltensforschung zu bringen. In dieser Klinik lernte er Sarah kennen. Die erste Frau, der er sich anvertraute und die er vom ersten Moment an innig liebte.
Was wir alle auch nicht wussten, war, dass Dane durch den frühkindlichen Missbrauch und dem vorhandenen Erbgut eine psychopathische Grundstruktur in sich trug, die er vor uns geschickt zu verbergen schaffte. Als er sich mit Sarah jedoch entschloss, die alte Farm seiner verstorbenen Eltern in Kansas zu bewohnen, brach die Krankheit aus ihm heraus. Er konnte die Erlebnisse dort nicht vergessen und lief schließlich Amok.
Ich kann hier den Ablauf nicht im Detail schildern und nur so viel dazu sagen, dass es schlimm gewesen war. Einfach nur schlimm.
Dane wurde gefasst und in eine Psychiatrie eingeliefert, in der er monatelang zu jedem den Kontakt verweigerte und vor sich hinvegetierte. Dass es nur ein erneuter Plan war, der Psychiatrie zu entkommen, ahnten wir nicht. Sarah sah ihn sterben, doch er starb nicht. Es war nur ein verzweifelter Versuch, den Tod vorzutäuschen.
Ende Dezember 1996. Kansas City. Sunny Inn. Dane, 41 Jahre.
Er lag in einem Zimmer. Schäbig sah es aus. Aus dem Waschbecken roch es nach Jauche, das Bett nach alter ungelüfteter Bettwäsche und die Wände nach abgestandenem Essen. Widerlich. Aber ruhig war das Zimmer. Und billig.
Dane öffnete zitternd seine Augen. Ihm war übel. Es war eines jenes Erwachens, das ihn schon beim ersten Augenaufschlag schlapp sein ließ. Er bewegte langsam seine Arme, dann seine Beine. Er wollte sie nur spüren, wissen, dass sie ihm noch gehorchten.
Auf welchen Wahnsinn hatte er sich da eingelassen? Es übertraf bei Weitem alles, was er bisher getan hatte –, und das war nicht wenig gewesen.
Sein Atem ging ruhig. Die Übelkeit ließ etwas nach. Er schloss seine Augen wieder. Ihm war nicht nach diesem Zimmer, an das er sich dunkel erinnerte, sich an den Tag erinnerte, als er es zum ersten Mal betreten hatte. Der Geruch war wie alles hier – widerlich. Aber es war ein Anfang. Nun hatte er endlich Frieden,
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