Cathérine de Montsalvy
ihren ganzen Mut und kaltes Blut. Entschlossen drehte sie dem so vertrauten Raum den Rücken zu und legte die Hand auf den langen Dolch, den sie sich in den Gürtel gesteckt hatte. Es war der Dolch mit dem Sperbergriff, mit dem Arnaud Marie de Comborn getötet hatte, und für Cathérine der kostbarste Gegenstand, den sie besaß. Im Vergleich zu seinem bläulich schimmernden Knauf, der so oft von der Hand ihres Gatten erwärmt worden war, war der schwarze Diamant nur ein wertloser Kiesel, und sie hätte ihn ohne Zögern dem anderen geopfert.
Im Hof fand sie Kennedy vor, der sie, eine Blendlaterne in der Hand, erwartete. Gauthier und Bruder Etienne standen bei ihm. Ohne ein Wort zu sagen, nahm der Normanne Sara den Kleiderballen ab, den sie trug, dann machte sich der kleine Trupp auf den Weg. Einer hinter dem anderen gingen sie der Umfassungsmauer zu. Die Kälte hatte im Laufe der Nacht zugenommen und war grausam beißend geworden. Von Zeit zu Zeit fegte ein kurzer, heftiger Windstoß weiße Wirbel empor, so daß man in der Mitte des großen Hofs nur gebeugt vorwärts kam. Aber je mehr sie sich den Wällen näherten, desto mehr verloren die Wirbel an Wildheit. Dann und wann durchdrang das Brüllen eines Tiers die Stille oder auch das Schnarchen eines der Flüchtlinge, die, in ihre Decken gehüllt, auf dem nackten Boden nahe am Feuer schliefen.
Trotz des schweren Reitermantels schlotterte Cathérine vor Kälte, als sie dem Turm zuschritt, den Cabriac bezeichnet hatte. Dieser erwartete sie im Innern, mit den Füßen stampfend und sich die Seiten schlagend, um gegen die Kälte anzugehen. Das niedrige, feuchte Gewölbe war wie mit einem Mantel aus schwärzlichem, glänzendem Eis überzogen, von dem Brocken auf ihre Schultern herabfielen.
»Wir müssen uns beeilen«, sagte Cabriac. »Der Mond wird bald aufgehen, und Ihr werdet auf der Schneefläche unten wie am hellichten Tag zu sehen sein. Der Kastilier hat sicher überall Wächter aufgestellt.«
»Aber«, wandte Cathérine ein, »wie sollen wir durch die Palisaden kommen, die am Felsen entlanglaufen?«
»Das geht mich an«, sagte Gauthier. »Kommt, Dame Cathérine. Der Herr Seneschall hat recht. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.«
Er nahm schon ihren Arm, um sie in das schwarze Loch der Treppe zu ziehen, das Cabriac, eine unter fauligem Stroh verborgene Falltür hebend, freigelegt hatte. Aber Cathérine sträubte sich, drehte sich zu Kennedy um und reichte ihm spontan die Hand.
»Vielen, vielen Dank für alles, Messire Hugh. Dank für Eure Liebenswürdigkeit, für den Schutz, den ihr mir gegeben habt. Ich werde die hier verbrachten Tage nie vergessen. Dank Euch … haben sie ein wenig von ihrer Grausamkeit verloren. Und ich hoffe, Euch bald bei Königin Yolande wiederzusehen.«
Im unsicheren Licht der Laterne sah sie das große Gesicht des Schotten aufleuchten und seine weißen Zähne blitzen.
»Wenn's nur von mir abhängt, Dame Cathérine, wird's schon in kurzer Zeit sein. Aber niemand weiß, was morgen in seinem Leben sein wird. Wie es so oft in dieser Welt geht, sehe ich Euch vielleicht niemals wieder …«
Seinen Satz in der Schwebe lassend, packte er die junge Frau an den Schultern, drückte sie an sich, küßte sie gierig, ehe sie, völlig verblüfft, sich verteidigen konnte, ließ sie ebenso rasch wieder los, lachte dann schallend wie ein Kind auf, das sich einen schönen Spaß gemacht hat, und beendete den angefangenen Satz:
»… und werde nun wenigstens ohne Bedauern sterben! Verzeiht mir, Cathérine, es wird nicht mehr vorkommen … aber ich habe Euch so sehr begehrt!«
Das wurde so freimütig eingestanden, daß Cathérine sich damit begnügte zu lächeln. Sie war, vielleicht mehr, als sie geahnt hatte, für die Wärme dieser ungeschlachten Zärtlichkeit empfänglich, aber Gauthier war erblaßt. Von neuem legte sich seine Hand auf den Arm der jungen Frau.
»Kommt, Dame Cathérine«, sagte er barsch.
Er hob die Laterne und stieg schon die schmale Treppe hinunter. Diesmal folgte ihm Cathérine. Sara kam hinter ihr, und Bruder Etienne bildete den Schluß, während die junge Frau ins Innere des Felsens vordrang, hörte sie ihn dem Schotten Lebewohl sagen und ihn ermahnen, sich ja nicht zu lange in der Auvergne aufzuhalten.
Er fügte hinzu:
»Die Zeit der Kämpfe kehrt wieder. Der Konnetabel wird Euch bald wieder brauchen.«
»Keine Sorge! Ich werde ihn nicht warten lassen!«
Dann hörte Cathérine nichts mehr. Die hohen, ungefügen
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