Cato 03 - Der Zorn des Adlers
Oberkörper und seine Arme mit einem blauen Spiralmuster bemalte. Er vollendete sein Werk mit einem komplizierteren Muster auf Catos Gesicht und arbeitete dabei so vertieft und konzentriert, wie Cato es noch nie an ihm beobachtet hatte. Unterdessen bereitete Boudica die Kalkmischung zu und strich sie ihm ins Haar. Er zuckte zurück, weil seine Kopfhaut kitzelte, zwang sich aber nach Boudicas missbilligendem Zischen, ruhig dazustehen.
Schließlich traten die beiden Iceni zurück und bewunderten ihr Werk.
»Wie sehe ich aus?«
Boudica lachte. »Meine persönliche Ansicht ist, dass du einen großartigen Kelten abgeben würdest.«
»Danke. Können wir jetzt gehen?«
»Noch nicht ganz. Zieh dein Lendentuch aus.«
»Was?«
»Du hast mich richtig verstanden. Du musst wie ein Krieger aussehen. Wirf dir meinen Umhang über, und ansonsten trägst du gar nichts.«
»Ich kann mich nicht erinnern, irgendeinen der anderen Durotriges splitterfasernackt gesehen zu haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das üblich ist.«
»Ist es auch nicht. Aber das Frühjahr hat begonnen. Das Fest des Ersten Knospentreibens naht. In den meisten Stämmen gehen die Männer zu Ehren der Frühjahrsgöttin zehn Tage lang nackt.«
»Die Iceni machen da natürlich eine Ausnahme.« Cato sah Prasutagus an.
»Natürlich.«
»Ziemlich durchtrieben, diese Göttin.«
»Sie möchte eben sehen, wer Talent hat«, erklärte Boudica fröhlich. »In manchen Stämmen wird sogar jedes Jahr ein besonders gut aussehender junger Mann als ihr Bräutigam auserwählt.«
»Wie das?«
»Die Druiden schneiden ihm das Herz raus und düngen die Pflanzen um ihren Altar mit seinem Blut.« Boudica lächelte über Catos entsetzte Miene. »Immer mit der Ruhe, ich sagte einige Stämme, also nur die wilderen. Bemüh dich einfach, nicht allzu gut auszusehen.«
»Es gibt noch wildere Stämme als die Durotriges?«
»Oh, ja. Diese Bande auf dem Berg ist nichts im Vergleich zu einigen Stämmen im Nordwesten. Das werdet ihr Römer zur gegebenen Zeit schon noch merken. Und jetzt, dein Lendentuch, bitte.«
Cato band das Tuch los und ließ es mit einem verlegenen Blick auf Boudica von den Hüften gleiten. Fast wider Willen zuckten ihre Augen nach unten, und sie lächelte. Prasutagus an ihrer Seite kicherte und flüsterte Boudica etwas ins Ohr.
»Was hat er gesagt?«, fragte Cato wütend.
»Er fragt sich, ob römische Frauen überhaupt was merken, wenn ihr es miteinander treibt.«
»So, so.«
»Also, meine Herren, das reicht jetzt. Ihr habt heute noch einiges vor. Hier ist mein Mantel, Cato.«
Er nahm ihn entgegen und reichte ihr das Lendentuch. »Bewahre es für mich auf.«
Als er die Mantelschließe zumachte, wurde er ein letztes Mal von Prasutagus gemustert.
Der Iceni-Krieger nickte und boxte den Optio gegen die Schulter.
»Komm! Wir gehen!«
32
Als Prasutagus und Cato aus dem Wald traten und sich auf den Weg zur Großen Festung machten, schien der zunehmende Mond. Ein frischer Wind blies ein dünnes, vom Mond versilbertes Wolkengespinst durch die sternengesprenkelte Dunkelheit. Prasutagus und Cato rannten quer über die Wiesen, die die Festung umgaben, und ließen sich auf alle viere niederfallen, wann immer die Wolken den Mond freigaben. Weil die Durotriges mit einer Vorhut der Zweiten Legion rechneten, waren bereits alle Schafherden in die Festung getrieben worden, und Cato war dankbar, dass sie nun nicht von verängstigten Tieren verraten werden konnten. Das bleiche Licht, das der Mond auf sie warf, war schon schlimm genug.
Etwa zwei Stunden später erreichten sie die andere Seite der großen Festung. Prasutagus führte ihn direkt zu dem finster aufragenden äußeren Festungswall. Von der obersten Ebene der Festung wehten Gesang und Sprechchöre herunter. Prasutagus schaute sich ständig nach allen Seiten um, während er vor Cato den Hang zum ersten Festungswall hinaufschlich.
Plötzlich verharrte der Brite einen Moment und warf sich dann zu Boden. Cato tat es ihm nach und spähte angestrengt nach vorn. Schließlich sah er den Grund: zwei Männer, die sich als Silhouetten vor dem Sternenhimmel abhoben, schritten den Wehrgang des äußersten Festungswalls ab. Ihre Stimmen hallten den Hang herunter, und der unbeschwerte Tonfall legte nahe, dass sie ihre Pflicht nicht so ernst nahmen, wie sie sollten. Offensichtlich herrschte hier nicht die strenge Disziplin, der die Wachmannschaften in der Legion unterworfen waren. Als die Patrouille vorüber war, erhoben
Weitere Kostenlose Bücher