Cato 03 - Der Zorn des Adlers
landeinwärts nach Rutupiae führte. Für das Flaggschiff gab es jedoch keine Hoffnung mehr, noch das große Nachschublager zu erreichen, von dem aus die römische Armee mit allem Notwendigen beliefert wurde. Weiter landeinwärts rasteten die Legionen wohl geschützt in ihren Winterquartieren bei Camulodunum und warteten auf die Fortsetzung des Eroberungsfeldzugs. Trotz aller Anstrengungen der Ruderer wurde sein Schiff aber von Rutupiae weggefegt.
Als er so über die Wellen zum dunklen Saum der britischen Küste blickte, musste der Präfekt sich verbittert eingestehen, dass der Sturm ihn geschlagen hatte, und so erteilte er den Befehl, die Ruder einzuziehen. Während er über die verbliebenen Möglichkeiten nachdachte, setzte die Mannschaft eilig ein kleines Dreieckssegel am Bug, damit das Schiff stabiler im Wasser lag. Seit dem Beginn des Britannienfeldzugs im vergangenen Sommer hatte der Präfekt diesen Meeresteil schon hundertmal überquert, doch niemals unter so schrecklichen Bedingungen. Tatsächlich hatte er noch nie einen so schnellen Wetterumschwung erlebt. Noch am Morgen – inzwischen schien das eine Ewigkeit her – war der Himmel völlig klar gewesen, und ein frischer Südwind hatte eine schnelle Überfahrt von Gesoriacum versprochen. Normalerweise mied man die Seefahrt im Winter, doch General Plautius’ Armee gingen die Vorräte aus. Die Taktik der verbrannten Erde des britischen Befehlshabers Caratacus bedeutete für die Legionen, die die für die Fortsetzung des Feldzugs im Frühjahr benötigten Vorräte nicht allzu sehr angreifen wollten, dass sie nur durch den Winter kamen, wenn sie vom Festland aus ständig mit Getreide versorgt wurden. Daher waren die Geschwader weiter über den Ärmelkanal gependelt, wann immer das Wetter es zuließ. Die heimtückische Natur hatte ihn am Morgen mit wunderschönem Wetter dazu verlockt, seinen Frachtschiffen die Überfahrt nach Rutupiae zu befehlen, ohne ein derartiges Unwetter auch nur im Geringsten vorherzuahnen.
Gerade, als die zerklüftete Küstenlinie Britanniens über dem kabbeligen Wasser in Sicht gekommen war, hatte sich ein dunkles Wolkenband am nördlichen Horizont zusammengezogen. Der Wind war rasch stärker geworden, hatte dann plötzlich gedreht, und die Männer des Geschwaders hatten immer verängstigter die dunklen Wolken beobachtet, die sich wie wutschnaubende, gierige Bestien auf sie zu stürzen schienen. Erschreckend schnell war das Unwetter über ihnen gewesen und hatte die Trireme des Präfekten, die an der Spitze des Geleitzugs fuhr, gepackt. Im heulenden Sturm krängte das Schiff so heftig, dass die Matrosen von ihren Aufgaben ablassen und sich irgendwo festklammern mussten, um nicht über Bord geschleudert zu werden. Als die Trireme sich schwerfällig wieder aufrichtete, warf der Präfekt einen Blick auf den Rest des Geleitzugs. Einige der Flachboden-Transportschiffe waren gekentert, und dicht bei den dunklen Rümpfen tanzten winzige Gestalten auf den schäumenden Wogen. Manche winkten verzweifelt, als dächten sie wirklich, ein anderes Schiff könnte sie jetzt noch retten. Der Geleitzug war inzwischen völlig aufgelöst, jedes Schiff kämpfte nur noch um sein eigenes Überleben, ohne sich um die Notlage der anderen kümmern zu können.
Mit dem Sturm kam auch der Regen. Große, eiskalte Tropfen peitschten schräg auf die Trireme nieder und stachen wie Nadeln auf der Haut. Angesichts der durchdringenden Kälte wurden die Matrosen rasch unbeholfener. In seinen wasserdichten Mantel gehüllt, erkannte der Präfekt, dass der Kapitän und seine Mannschaft mit Sicherheit die Kontrolle über das Schiff verlieren würden, wenn der Sturm nicht bald nachließ. Doch das Meer wütete weiter und trieb die Schiffe in alle Richtungen auseinander. Durch irgendeine Laune der Natur hatte der Sturm die drei Triremen an der Spitze des Geleitzugs mit besonderer Wucht getroffen, und bald waren sie weit von den anderen Schiffen abgetrieben – am weitesten die Trireme des Präfekten. So ging es den ganzen Nachmittag, und als die Nacht sich näherte, war noch immer kein Nachlassen zu spüren.
Sein Wissen über die britische Küste abwägend, ging der Präfekt die Möglichkeiten durch. Nach seiner Einschätzung waren sie schon weit von der Schifffahrtsstraße nach Rutupiae weggetragen worden. Steuerbord zeichneten sich ganz schwach die nackten Kreideklippen der Küstengegend um die Siedlung Dubris ab, und so würden sie dem Sturm ein paar Stunden widerstehen
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