Cato 03 - Der Zorn des Adlers
auf und ging zum Zelteingang, um nach mehr Wein zu rufen. Als er wieder zu seinem Platz zurückkehrte, hatte er sich beruhigt, auch wenn er nun innerlich wütend über seine Schwäche war. Ein Übermaß an Gefühl war schon dem normalen Legionär verboten. Bei einem Legionskommandanten war es gleichbedeutend mit einem Verbrechen. Und bei einem General? Vespasian warf Plautius einen vorsichtigen Blick zu und erschauerte. Wenn ein so hochrangiger, mächtiger Mann wie der Armeekommandant solche Mühe hatte, seinen privaten Kummer zu verbergen, welche Hoffnung gab es da für einen Geringeren?
Mit sichtlicher Anstrengung löste Aulus Plautius sich aus seiner Versenkung und begegnete dem Blick des Legaten. Der General runzelte einen Moment lang die Stirn, als wisse er nicht, wie lange er so in seine Verzweiflung versunken gewesen war. Dann nickte er nachdrücklich.
»Ich muss handeln, muss Vorkehrungen für die Rettung meiner Familie treffen, bevor die Zeit knapp wird. Bis zum Ultimatum der Druiden sind es nur noch dreiundzwanzig Tage.«
»Ja, Herr«, antwortete Vespasian und formulierte die nächste Frage äußerst vorsichtig, um jeglichen Anklang von Kritik zu vermeiden. »Wirst du die gefangenen Druiden gegen deine Frau und deine Kinder austauschen?«
»Nein …, zumindest jetzt noch nicht. Erst will ich versuchen, meine Familie zu retten. Ich lasse nicht zu, dass ein Haufen abergläubischer Mörder Rom die Bedingungen diktiert! «
»Ich verstehe.« Ganz überzeugt war Vespasian noch nicht. Warum sonst hatte der General die Druiden von Camulodunum mitgebracht? »Und welcher Plan schwebt dir zur Befreiung deiner Familie vor, Herr?«
»Das habe ich noch nicht entschieden«, räumte Plautius ein. »Aber die Hauptsache ist rasches Handeln. Ich möchte, dass die Zweite Legion sich schnellstmöglich marschbereit macht.«
»Marschbereit? Wohin geht es denn, Herr?«
»Ich möchte den Feldzug frühzeitig beginnen. Zumindest möchte ich, dass die Zweite Legion frühzeitig loslegt. Ich habe Befehle für deine Legion vorbereitet, ins Gebiet der Durotriges vorzustoßen. Ihr sollt jede Festung und jede befestigte Siedlung dem Erdboden gleichmachen. Es werden keine Gefangenen gemacht, weder unter den Druiden noch unter den feindlichen Kriegern. Ich möchte, dass jeder Stamm dieser Insel erfährt, was es kostet, einen römischen Präfekten zu ermorden und Römer als Geiseln zu nehmen. Wenn die Druiden und ihre Durotrigesfreunde auch nur ein bisschen Verstand haben, geben sie mir meine Frau und meine Kinder sofort zurück und bitten um Frieden.«
»Und andernfalls?«
»Andernfalls töten wir die gefangenen Druiden, wobei wir uns den Anführer bis zum Schluss aufsparen. Wenn das keine Wirkung zeigt, töten wir alles in unserem Weg, was lebt.« Die grauenhafte Entschlossenheit in Plautius’ Stimme war unüberhörbar. »Nichts und niemand wird überleben, verstehst du?«
Vespasian antwortete nicht. Das war Wahnsinn. Wahnsinn. Verständlich, aber dennoch wahnsinnig. Strategisch gesehen außerdem vollkommen sinnlos. Doch ihm war klar, dass er behutsam mit dem General umgehen musste.
»Wann soll die Legion nach deinen Wünschen losmarschieren? «
»Morgen.«
»Morgen!« Bei diesem lächerlichen Gedanken hätte Vespasian beinahe laut gelacht. Beinahe, doch dann sah er das Glühen in den Augen seines Vorgesetzten. »Das ist unmöglich, Herr.«
»Warum?«
»Warum? Wo soll ich anfangen? Der Boden ist noch so weich, dass Artilleriegespanne und schwere Wagen stecken bleiben. Wir könnten also nur Nahrungsvorräte für drei oder höchstens vier Tage mitnehmen. Und ich habe keinerlei Vorstellung von der Wehrkraft des Feindes.«
»Das habe ich vorhergesehen. Ich habe einen Briten mitgebracht, der sich in dieser Gegend gut auskennt. Er war einmal ein Schüler der Druiden. Er und seine Dolmetscherin werden eure Führer sein. Was die Nahrungsvorräte anbelangt, so könnt ihr zu Anfang mit halben Rationen auskommen. Später wird die Flotte euch vom Fluss aus versorgen, und ich schicke euch alle leichteren Wagen, die ich entbehren kann. Vielleicht stoßt ihr sogar auf einige Vorratslager des Feindes. Der Winter ist fast vorüber, doch die Durotriges müssen zwangsläufig noch Nahrungsvorräte besitzen, die ihr plündern könntet. Um euch den Angriff auf die Festungen zu ermöglichen, habe ich die Artillerie der Zwanzigsten Legion zu eurer Einheit abkommandiert …«
»Selbst wenn wir die Festungen finden, helfen uns die Wurfmaschinen
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