Cato 05 - Beute des Adlers
Augenblick lang überlegte er, ob er die Schuld auf sich nehmen und dadurch beweisen sollte, dass er über mehr Stolz und Würde als dieser General von nobler Abstammung verfügte. Zumindest würde ihm das Genugtuung verschaffen. Eine sehr einseitige Genugtuung allerdings. Sein Opfer würde allein Plautius ’ Ruf retten. Und letzten Endes war Vespasian durchaus der Meinung, dass er Rom besser dienen konnte als dieser alte, abgehalfterte General. Plötzlich kam ihm die Erkenntnis, dass es hier trotz all der schönen Worte nur um Selbsterhaltung ging. Wie immer. Verdammt wollte er sein, wenn er zuließ, dass ihn diese blasierten Aristokraten den Hunden zum Fraß vorwarfen, nur um ihre eigene Haut zu retten. Er räusperte sich, um seine Stimme von jedem verräterischen Anflug der Verbitterung oder der Furcht zu befreien.
»Der Feind hätte diese Furt niemals erreichen dürfen. Der Plan – den der General ja wohl persönlich ausgearbeitet hat – sah vor, mit den drei Legionen samt Hilfstruppen so schnell wie möglich gegen Caratacus vorzurücken, um ihn zu den beiden ersten Übergängen zu treiben. Dort sollte ich mit der Hauptstreitmacht meiner Legion auf der Lauer liegen. Die dritte Furt war völlig nebensächlich. Sie sollte nur besetzt werden, um die feindlichen Truppenteile abzufangen, die der Schlacht an den anderen Übergängen entkommen würden. Niemand erwartete, dass Caratacus und seine Armee den Fluss genau dort überqueren würden.«
»Diese Möglichkeit stand immer im Raum«, fiel ihm Plautius ins Wort. »Meine Befehle waren klar und deutlich. Deine Männer sollten die Furt unter allen Umständen halten.«
»So lauteten meine Befehle?« Vespasian hob die Augenbrauen.
»So werden sie jedenfalls lauten«, murmelte Narcissus. »Legat, gehe ich recht in der Annahme, dass du andeutest, der General hätte die Falle nicht in der gebotenen Eile zuschnappen lassen?«
»Ja.«
Plautius beugte sich wütend vor. »Wir sind so schnell marschiert wie wir konnten, verdammt noch mal! Niemand kann von unserer schweren Infanterie erwarten, die einheimischen Truppen einzuholen. Die Geschwindigkeit unserer Armee ist nicht das Problem. Die Falle war gestellt, und hätte die Zweite Legion ihre Befehle ordnungsgemäß ausgeführt, wäre sie auch zugeschnappt. Vespasian war dafür verantwortlich, die Furt ausreichend zu sichern. Jeder Narr hätte wissen müssen, dass eine Kohorte dafür nicht ausreicht.«
»Eine Kohorte war mehr als genug – für die Aufgabe, die ihr tatsächlich zugeteilt war«, erwiderte Vespasian.
Einen Augenblick lang starrten sich die beiden Offiziere wütend an. Ihre Augen glitzerten im flackernden Schein der Flammen. Dann lehnte sich der General zurück.
»Dieser Mann hat in meiner Armee nichts verloren«, sagte er zu Narcissus. »Er ist nicht fähig, eine Legion im Feld zu führen. Ein solcher Ungehorsam darf nicht geduldet werden.« Er wandte sich wieder dem Legaten zu. »Vespasian, ich erwarte deine Abdankung. Ich möchte, dass du das erste Schiff zurück nach Gallien nimmst.«
»Das kann ich mir vorstellen«, antwortete Vespasian kühl. »Damit ich nicht anwesend bin, um mich gegen deine Anschuldigungen zu verteidigen. Da braucht man kein Genie zu sein, um sich den Ausgang der ganzen Sache auszumalen. Ich weigere mich, mein Kommando niederzulegen. Das gebe ich dir auch gerne schriftlich.«
Bevor Plautius antworten konnte, hustete Narcissus. »Liebe Freunde! Genug. Ich glaube, dass man die Schuld nicht allein einer Seite zuschreiben kann.«
Beide Offiziere wollten augenblicklich Widerspruch einlegen, als der kaiserliche Sekretär schnell die Hand hob und fortfuhr, bevor sie ihm ins Wort fallen konnten. »Da ihr beide der festen Überzeugung seid, dass die andere Seite verantwortlich ist, fürchte ich, dass euch eine Anhörung vor dem Senat beide zu Fall bringen würde. Daher scheint es mir die beste Lösung, unverzüglich eine Untersuchung einzuleiten und den Schuldigen in den niedrigeren Diensträngen zu suchen. Wenn ihr euch zu einer schnellen Entscheidung durchringen und eine angemessen drakonische Strafe verhängen könnt, bin ich fest davon überzeugt, dass sich alle diejenigen in Rom zufriedenstellen lassen, die Konsequenzen für euer Versagen fordern.«
Plautius verzog das Gesicht, griff jedoch sofort nach der Rettungsleine, die ihm und dem Legaten soeben zugeworfen worden war.
»Also gut.« Plautius nickte. »Eine sofortige Anhörung, der ich und der Legat als oberste Richter
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