Cato 09 - Gladiator
eskortierten. »Das war wirklich äußerst geschickt. Ich bin sicher, der kleine Vorfall trägt dazu bei, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.«
»Dazu ist es jetzt zu spät.« Macro runzelte die Stirn. »Ich stelle mich nicht zur Wahl, Herrin. Ich will nur das Beste für die Überlebenden. Ich will ihnen eine gerechte Chance bieten, das Unglück zu überstehen und irgendwann wieder ein normales Leben zu führen. Wenn ich zu diesem Zweck zu Methoden greifen muss, die dem Pöbel nicht schmecken, und kriege es dazu noch mit Unruhestiftern wie Atticus zu tun, dann wird’s eben hart.«
»Für dich? Für sie?«
»Für uns alle.« Macro rückte die Filzkappe zurecht und setzte den Helm wieder auf. »Wenn das alles ist, Herrin? Ich muss an die Arbeit.«
Er folgte seinen Männern und zog im Gehen den Helmriemen stramm. Julia sah ihm eine Weile nach. Sie wusste genau, dass sie Unrecht hatte. Sie kannte Macro jetzt lange genug, um zu wissen, dass er es stets gut und gerecht meinte, auch wenn er bisweilen zu empfindlich harten Maßnahmen griff. Als sie sich zu einer Entschuldigung durchgerungen hatte, war Macro jedoch schon im Offiziersgebäude verschwunden.
Julia klatschte sich zornig auf den Schenkel, wandte sich von der Akropolis ab und blickte zu den Zelten am Hang hinüber. Die Menge, die sich versammelt hatte, um Macros Ankündigung zu lauschen, zerstreute sich langsam. Ein paar Leute standen noch beieinander und machten vermutlich ihrem Ärger Luft. Im Moment hatte Macro sie im Griff, überlegte sie, aber wenn die Nahrung ausging, würde die fragile Ordnung alsbald ein Opfer des Hungers und der Verzweiflung werden. Sie schauderte, trat durchs Tor und schritt langsam in die Akropolis hinein. Es war einfach so: Sie konnte nichts tun. Sie hatte dem Wundarzt der Kohorte angeboten, bei der Pflege der Verletzten zu helfen, doch der hatte ihr eine Abfuhr erteilt und gemeint, das Lazarett sei kein Ort für die Tochter eines Senators. Als sie entgegnete, sie habe dergleichen schon bei der Belagerung von Palmyra getan, hatte der Arzt verbittert gemeint, die Bewohner des Ostens wären Barbaren. In Kreta galten offenbar andere Maßstäbe.
So sehr Julia hoffte, der Arzt werde Recht behalten, hatte sie doch genug von der Welt gesehen, um zu wissen, dass jede Zivilisation nur ein paar Mahlzeiten von der Anarchie und dem blutigen Chaos entfernt war. Auf einmal hatte sie schmerzhafte Sehnsucht nach Cato und wünschte, er wäre bei ihr gewesen und hätte ihr das Gefühl gegeben, an seiner Seite könne ihr nichts geschehen.
»Ich kann nur hoffen, dass du einen guten Grund hast, mich rufen zu lassen«, sagte Macro, stellte die Fackel in einen Metallhalter, setzte sich auf die unterste Stufe der Zisterne und sah Atticus an. Der Grieche war mit einer Fußkette an die Felswand gefesselt. Seine vordem weiße Tunika war dreckverschmutzt. Obwohl er erst eine Nacht in Haft hinter sich hatte, hatten die Dunkelheit, der Modergestank und die Einsamkeit seinen Widerstand bereits gebrochen. »Du hast zum Wachposten gemeint, es wäre wichtig.«
»Das ist es. Ich möchte dir ein Angebot machen.«
»Ach, wirklich?« Macro lächelte dünnlippig. »Was für ein Angebot? Willst du mir versprechen, ein braver Junge zu sein, wenn ich dich freilasse?«
»Ja. Ich werde brav sein.«
»So, so. Aber weshalb sollte ich dir glauben? Ich vertraue dir nämlich ebenso wenig wie du mir.«
Atticus leckte sich nervös über die Lippen. »Ich weiß, wo es Nahrungsmittel gibt.«
»Ich auch. Wir graben in den Ruinen danach.«
»Ich will sagen, ich weiß, wo eine Menge Nahrungsmittel zu finden sind. Genug, um die Menschen eine ganze Weile zu ernähren.«
»Ah. Und wo befindet sich die Nahrung?«
»Auf dem Anwesen eines Freundes.«
»Wo?«
»An der Küste, nicht weit von hier. Das Landgut gehört Demetrius von Ithaka.«
»Dort haben wir schon gesucht. Ich habe gestern eine Patrouille hingeschickt. Sie kam mit leeren Händen zurück. Offenbar sind uns die Sklaven, unsere räuberischen Freunde, zuvorgekommen und haben die Getreidegruben geleert.«
Atticus lächelte. »Das glaubst du. Demetrius ist ein vorsichtiger Mann. Wegen der Nähe zum Meer fürchtet er sich vor Piraten. Deshalb hat er seine Wertsachen und den Großteil seiner landwirtschaftlichen Erzeugnisse in etwa einer Meile Entfernung vom Hof gelagert. Der Eingang ist leicht zu verfehlen, und das Gelände ist von einem Palisadenzaun umgeben. Ich nehme an, dass Demetrius sich gleich nach dem
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