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Catriona

Catriona

Titel: Catriona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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ihres Gefolges – saß mit gerunzelter Stirn, in gespannte kritische Aufmerksamkeit versunken. Der Prediger selbst sowie ein kleiner Teil der Leute in der Nähe des Einganges hatten unseren Eintritt bemerkt und dann gleich wieder vergessen; die anderen konnten oder wollten ihn nicht hören, und so saß ich unbeachtet zwischen Freund und Feind. Den ersten, den ich erkannte, war Prestongrange. Er saß vornüber gebeugt, wie ein hitziger Reiter im Sattel; seine Lippen bewegten sich mit Behagen, seine Augen waren fest auf den Prediger geheftet; was dort gelehrt wurde, war sichtlich nach seinem Herzen. Charles Stuart dagegen war halb eingeschlafen und sah bleich und sorgenvoll aus. Und was Simon Fraser betrifft, so erschien er inmitten dieser aufmerksamen Gemeinde fast als ein Schandfleck oder Skandal; er vergrub die Hände in den Taschen, rutschte auf seinem Sitz umher, räusperte sich, zog die kahlen Brauen hoch und blickte, jetzt gähnend, dann wieder verstohlen lächelnd, nach rechts und nach links. Mitunter nahm er auch die Bibel, die vor ihm lag, blätterte darin, schien ein Stückchen zu lesen, blätterte weiter und hielt inne, um unverhohlen zu gähnen: das Ganze, wie um sich wach zu halten. Dank dieser Ruhelosigkeit fiel sein Blick auf mich. Eine Sekunde lang saß er da, wie erstarrt, dann riß er eine halbe Seite aus der Bibel, kritzelte etwas mit Bleistift darauf und reichte sie flüsternd seinem nächsten Nachbarn. Der Zettel gelangte schließlich in Prestongranges Hände, der einen einzigen Blick darauf warf; von dort wanderte er zu Mr. Erskine weiter, von ihm zu Argyle, der zwischen zwei Richtern saß, und Seine Gnaden drehten sich um und starrten mich hochmütig an. Der Letzte der Parteien, meine Gegenwart zu bemerken, war Charlie Stuart, und auch er begann Notizen zu schreiben und zirkulieren zu lassen, deren Weg durch die Menge ich jedoch nicht zu verfolgen vermochte. Doch das Kreisen dieser Zettel hatte Aufsehen erregt; alle Eingeweihten (und solche, die sich dafür hielten) gaben flüsternd Informationen weiter – die anderen Fragen – und der Pastor selbst schien durch die Bewegung in der Kirche, die plötzliche Unruhe und das Flüstern völlig aus dem Konzept gebracht. Seine Stimme änderte sich, er stockte offenbar und gewann auch nicht einen Augenblick seine Beweiskraft und seinen sonoren Vortrag wieder. Bis an sein Lebensende wird es ihm wohl ein Rätsel geblieben sein, weshalb eine Predigt, deren erste vier Teile er mit Triumph abwickelte, im fünften Abschnitt elend scheiterte. Was mich anbelangt, so blieb ich auch fernerhin auf meinem Platze sitzen, sehr naß und müde und ziemlich besorgt, was sich wohl als nächstes ereignen würde, aber immerhin über meinen Erfolg frohlockend.
     

Die Denkschrift
     
    Die letzten Worte des Segens waren noch kaum gesprochen, da hatte mich Stuart schon am Arme gepackt. Wir waren die ersten, die Kirche zu verlassen, und er trieb mich so eilig vorwärts, daß wir wohlbehalten die vier Wände eines Hauses erreichten, bevor die Straße sich mit auf dem Heimwege befindlichen Kirchgängern anfüllte. »Komme ich noch zur Zeit?« fragte ich. »Ja und nein«, sagte er. »Der Prozeß ist beendet; die Jury hat sich zurückgezogen und wird die Güte haben, uns morgen früh ihr Urteil wissen zu lassen, das ich Euch schon vor drei Tagen, ehe die Komödie begann, hätte sagen können. Es war von Anfang an bekannt. Der Angeklagte kannte es. »Ihr könnt für mich tun, was Ihr wollt,« flüsterte er mir vor zwei Tagen zu, »ich weiß, was mir bevorsteht; ich habe gehört, was der Herzog von Argyle eben jetzt zu Mr. Macintosh sagte.« O, es war ein Skandal! Ja, selbst der Pedell schrie, ›Cruachan!‹«
    »Der große Argyle schritt munter voran.
Da huben Kanonen zu brüllen an!«
    »Aber nun ich Euch wiederhabe, geb ich die Sache nicht verloren. Die Eiche soll noch über die Myrthe triumphieren; wir werden die Campbells in ihrer eigenen Stadt besiegen. Mit Gottes Hilfe werde ich den Tag noch erleben!« Er zitterte vor Aufregung, schüttete seine Koffer auf dem Boden aus, damit ich die Kleider wechseln könnte, und belästigte mich dabei durch seine Hilfe. Was es aber noch zu tun gab, und wie ich es tun mußte, brachte ich nicht aus ihm heraus, ja, ich glaube, er widmete dem auch nicht einen Gedanken. »Wir werden die Campbells schon unterkriegen!« war sein ständiger Refrain. Und mir wurde plötzlich klar, daß diese Angelegenheit, die nach außen hin einem nüchternen

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