Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
Ich bin der Vampir Lestat. Erinnern Sie sich? Der Vampir, der ein Rockstar wurde und seine Autobiographie geschrieben hat? Der Vampir mit den blonden Haaren und den grauen Augen, der nach Ruhm und Öffentlichkeit lechzte? Sie erinnern sich. Ein Symbol des Bösen wollte ich sein in unserem glitzernden Jahrhundert, in dem mir für das eigentliche Böse, wie ich es verkörpere, kein Platz mehr zu sein schien. Immerhin hatte ich ja schon mal ganz gut den Teufel auf einer Schmierenbühne gespielt.
Und als wir zuletzt voneinander gehört haben, standen die Dinge gar nicht schlecht für mich. Ich hatte gerade mein Debüt in San Francisco gehabt - mein erstes »Live-Konzert« mit meiner sterblichen Band. Unsere Langspielplatte war ein Riesenerfolg. Meine Autobiographie fand guten Anklang bei den Sterblichen wie bei den Untoten.
Dann geschah etwas völlig Unvorhersehbares. Na ja, wenigstens hatte ich es nicht vorausgesehen. Und als ich Sie damals verließ, am Ende des letzten Kapitels, war das gemeinerweise gerade an der spannendsten Stelle gewesen.
Nun, das ist inzwischen überstanden - was damals noch folgte. Offensichtlich habe ich überlebt. Sonst würde ich ja nicht zu Ihnen sprechen. Die kosmischen Stürme haben sich gelegt; und der kleine Riß im Gewebe allgemeiner Vernunftgläubigkeit ist wieder zugekittet, mehr oder weniger.
Durch all das bin ich ein wenig trauriger, ein wenig hinterhältiger und auch ein wenig gewissenhafter geworden. Außerdem haben meine finsteren Kräfte unendlich zugenommen, obgleich der Mensch in mir stärker denn je an die Oberfläche drängt - ein gepeinigtes und hungriges Wesen, das die unsterbliche Hülle, in der ich für alle Zeiten gefangen bin, gleichermaßen liebt und verabscheut.
Der Blutdurst? Unersättlich ist er, obwohl ich rein physisch des Blutes nie weniger bedurfte. Vielleicht brauchte ich es sogar überhaupt nicht mehr. Aber die Lust, die mich jedesmal überkommt, sobald ich nur ein Lebewesen sehe, sagt mir nur zu deutlich, daß ich das niemals ausprobieren werde.
Sie wissen ja, daß mir das Blut ohnehin nie das wichtigste war; es ist die Intimität dieses Augenblicks - trinken, töten -, die ich brauche, den Rausch, wenn das Opfer immer schwächer wird und ich erblühe, mir den Tod einverleibe, der für den Bruchteil einer Sekunde so gewaltig wie das Leben selbst aufblitzt.
Und doch ist das nur ein Trugschluß. Kein Tod kann so gewaltig wie das Leben sein. Und darum muß ich immer weiter Leben rauben, nicht wahr? Und meiner Erlösung bin ich so fern wie nie. Ich weiß, daß ich alles nur noch schlimmer mache.
Natürlich kann ich unter Menschen noch immer als Mensch durchgehen; irgendwie können wir das alle, egal wie alt wir sind. Kragen hoch, Hut runter, Sonnenbrille, Hände in die Taschen - das genügt im allgemeinen. Ich bevorzuge inzwischen enge Lederjacken und Jeans und einfache schwarze Stiefel. Doch hin und wieder trage ich jene modische Seidenkleidung, die im Süden, wo ich nunmehr residiere, üblich ist.
Und wenn mich jemand dennoch allzu genau in Augenschein nimmt, genügt ein bißchen Telepathie: Ist doch ganz normal, was du da siehst. Ein kurzes Lächeln, die Fangzähne hübsch verborgen, und der Sterbliche zieht seiner Wege.
Manchmal pfeife ich auf meine Verkleidung und gehe so aus, wie ich bin. Langes Haar, eine Samtjacke, die mich an die alten Zeiten erinnert, und ein bis zwei Smaragdringe an meiner rechten Hand. Ich haste dann durch die Menschentrauben in dieser reizenden, verderbten Stadt oder schlendere den mondweißen Strand entlang und atme die warme Luft des Südens ein.
Niemand starrt mich länger als ein oder zwei Sekunden an. Die Menschen sind von genug anderen unerklärlichen Dingen umgeben - Schrecken, Ängste, Geheimnisse, die sie gefangen nehmen, um sie dann unvermeidlich zu ernüchtern. Lieber zurück zum Gewohnten und Langweiligen. Der Märchenprinz wird niemals kommen, das weiß jeder; und vielleicht ist Dornröschen längst schon tot.
Das gilt auch fair alle anderen, die mit mir überlebt haben und mit mir dieses sonnige, grünende Eckchen des Universums teilen - die Südostspitze des amerikanischen Kontinents, die pulsierende Metropole Miami, ein ideales Jagdrevier für blutdurstige Unsterbliche.
Es tut wohl, sie bei mir zu wissen, die anderen; das ist ganz wichtig, wirklich - und wie schön hatte ich es mir doch immer ausgemalt:
einen großen Orden um mich zu haben aus all den Weisen, den Nimmermüden, den Alten und den sorglos
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