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Catwalk in den Tod

Catwalk in den Tod

Titel: Catwalk in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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Boden, als wollte sie nicht weggetrieben werden. Als sie sich zu mir umdrehte und mich anlächelte, ging ich unter. Versank in den moorigen Seen ihrer Augen. So tief und ebenso gefährlich. Ich weiß schon, warum ich meinen Schutzmantel trage. Er macht mich unverwundbar für derlei Attacken. Dachte ich zumindest immer. Sie striegelte das Pferd und flüsterte ihm etwas zu. Tatsächlich spitzte der Vierbeiner die Ohren.
    »Ein Sieger?«, sagte ich. Dabei sind wir alle Sieger. Selbst, wenn man eine so blöde Frage stellt. Aber die Moorseen zogen mich bereits in die Tiefe.
    »Angst«, sagte sie. »Da ist viel Angst.« Ich musste einen wunden Punkt erwischt haben. Tränen traten in ihre Augen. Schwappten gefährlich nah am Uferrand. Mit kräftigen Strichen striegelte sie die Flanke des Pferdes, das regungslos vor seiner Box stand.
    »Dafür wurden sie gezüchtet, zum möglichst schnellen Davonlaufen«, sagte ich.
    »Sie spielen gern, laufen auf der Weide um die Wette, aber hier? Das hat mit Schmerzen zu tun.«
    »Und trotzdem arbeiten Sie auf der Rennbahn?«
    Sie nickte nur kurz, ging um das Tier herum und striegelte die andere Flanke. Das Pferd schubberte sich unter ihren Händen.
    »Gute Tage, schlechte Tage. Sie mögen blauen Himmel oder Regen, man merkt es ihnen an. Sie strecken sich oder ziehen sich zusammen, ducken sich oder sind übermütig. Manzarin hier fürchtet sich sogar vor Ameisen. Und bei Gewitter.«
    Sie lachte.
    »Helden der Rennbahn«, sagte ich.
    In ihren Moorseen spiegelte sich für einen Moment das Sonnenlicht. Oder war es ein Schatz, der da im dunklen Wasser verborgen lag?
    »Vielen Dank«, sagte sie.
    »Wofür?«
    »Fürs Zuhören.«
    »Ich habe etwas über Pferde gelernt.«
    Ich hatte schon ein paar Schritte gemacht, da sprach sie mich noch einmal an.
    »Die Pferde ... also, sie können uns wirklich etwas beibringen«, sagte sie.
    »Wann soll er denn laufen?«
    »Heute nicht. Soll sich nur an das Drumherum hier gewöhnen. Damit er sich nächsten Sonntag beim Derby nicht fürchtet.«
    »Ein Pferd, das im Hauptrennen startet?«
    »Und gewinnt. Sie glauben mir doch?«
    »Nun ja, der Glaube versetzt zwar Berge, aber ob er sich auch um Pferde kümmert …?«
    »Sie werden sehen«, sagte sie, »Kommen Sie mich nächsten Sonntag besuchen.«
    Ich machte ein paar Schritte und hörte sie sagen: »Sie kommen doch? Ich werde Sie einweihen, versprochen.«
    »Das hört sich nach Geheimbund, nach Ritualen und Weihrauch an.«
    »Wer weiß?«, sagte sie. Und diesmal lachte sie nicht.
    Auf dem Führring wurden die Starter für das erste Rennen vorgeführt. Der Rennreigen nahm seinen Lauf. Einige Pferde schlugen immer wieder unwillig den Kopf hin und her. Pferdepfleger ruckten an den Halftern. Andere hatten sich in ihr Schicksal ergeben, oder ahnten noch nicht, dass sie gleich über die Bahn getrieben werden sollten. Noch war es für sie ein Sonntagnachmittagsausflug. Und der führte immer im Kreis um einen BMW, der auf einem Podest im Innenraum stand, auf den erfolgreichsten Jockey des Derbymeetings wartend.
    Ein korpulenter Herr bemächtigte sich des Pults im Innern des Führrings, ein Kameramann gab ein Handzeichen.
    »Guten Tag, Freunde des Turfs, sehen wir uns doch mal an, wen wir hier im ersten Rennen des Tages haben.«
    Kurzatmig berichtete er von Trainern und Besitzern, die er eben noch gesprochen hätte, und was sie ihren Pferden so zutrauen würden bei »diesem durchnässten Geläuf«. Von guter Trainingsarbeit und Hoffnungsträgern war die Rede, von überstandenen Verletzungen, Ruhepausen und Vorjahresform.
    Ich tat, was Harley mir aufgetragen hatte. Hörte auf meinen Bauch, obwohl etwas in mir mit der fettigen Currywurst kämpfte. Ich notierte die Startnummern von »Taxus« und »Lucky Directa« in mein Programmheft. Sofort sagte gar nichts, sondern malte lieber Muster in den Wettschein.
    Harley stellte sich neben mich und sah mich fragend an.
    »Was gefunden?«
    Ich nannte ihm die drei Pferde, die ich in meinen verschwommenen Visionen als Erste durchs Ziel galoppieren sah. Er sagte »wunderbar«, machte ein paar Striche auf seinem Wettschein und stürmte dann zu einem der Wettpavillons.
    So einfach kann man Menschen glücklich machen. Bis zu diesem Augenblick hatte ich keine Ahnung, dass sich das Geschehen auf der Rennbahn bald wenden sollte.
    Vorn im Führring stiegen die Jockeys in ihren mit bunten Ornamenten versehenen Rennkluften in die Sättel. Die Pferdepfleger ließen los und drei Pferde sprangen

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