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Cécile

Cécile

Titel: Cécile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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schwebte, war die Prioritätsfrage. Gordon und St. Arnaud sahen sich also fragend an. Endlich entschied der Oberst mit einem Anfluge von Ironie dahin, daß Herrendienst vor Gottesdienst gehe, welchem Entscheide Gordon in gleichem Tone hinzusetzte: »Preußen-Moral! Aber wir
sind
ja Preußen.«
    Und so wandte man sich denn rasch entschlossen dem Kastellan zu, freilich nicht ohne sein Vis-à-vis, den nach links hin stehenden Küster, mit einem hoffnunggebenden Gruße gestreift zu haben. Er verneigte sich denn auch in Erwiderung darauf verbindlich lächelnd und schien alles in allem nicht unzufrieden über diesen Gang der Dinge. Denn unten in der Stadtkirche läuteten eben die Mittagsglocken, und etwas Bratwurstartiges, das von der Küche her durch die Luft zog, ließ das »In die zweite Linie gestellt werden« fast als einen Vorzug erscheinen.
    Unter diesen Vorgängen, die nur von Rosa scharf beobachtet und mit Künstlerauge gewürdigt worden waren, waren alle vier in den Schloßflur eingetreten, an dem respektvoll die Honneurs machenden Kastellan vorüber. Dieser, ein freundlicher und angenehmer Mann, nahm durch seine Freundlichkeit sofort für sich ein, fiel aber andererseits durch ein unsichres und fast ein schlechtes Gewissen verratendes Auftreten einigermaßen auf, ganz wie jemand, der Lotterielose feilbietet, von denen er weiß, daß es Nieten sind. Und wirklich, sein Schloß konnte, durch alle Räume hin, als eine wahre Musterniete gelten. Was es vordem an Kostbarkeiten besessen hatte, war längst fort, und so lag ihm, dem Hüter ehemaliger Herrlichkeit, nur ob, über Dinge zu sprechen, die nicht mehr da waren. Eine nicht leichte Pflicht. Er unterzog sich derselben aber mit vielem Geschick, indem er den herkömmlichen, an
vorhandene
Sehenswürdigkeiten anknüpfenden Kastellans-Vortrag in einen umgekehrt sich mit dem
Verschwundenen
beschäftigenden Geschichts-Vortrag umwandelte. Voll richtigen Instinkts ersah er hierbei den Wert der historischen Anekdote, die denn auch beständig aus der Verlegenheit helfen mußte.
    Rosa, deren Wißbegier auf ganze Säle voll Rubens' und Snyders', voll Wouvermans und Potters rechnete, hielt sich selbstverständlich unausgesetzt in der Nähe des Kastellans und mühte sich, durch allerlei klug gestellte Fragen seine besondre Teilnahme zu wecken.
    »Und in diesen Räumen also haben die Quedlinburger Äbtissinnen residiert?« begann sie mit erheucheltem Interesse, denn es lag ihr ungleich mehr an Bärenhatz und Sechzehnendern als an Porträts mit Pompadourfrisuren. »In diesen Räumen also...«
    »Ja, meine gnädigste Frau«, antwortete der Kastellan, der unsre Freundin um ihres muntern Wesens und vielleicht auch um ihres Embonpoints willen für eine glücklich verheiratete Dame nahm. »Ja, meine gnädigste Frau,
wirklich
residiert, das heißt mit Hofstaat und Krone. Denn die Quedlinburger Äbtissinnen waren nicht gewöhnliche Kloster-Äbtissinnen, sondern Fürst-Abbatissinnen und saßen von Mechtildis, Schwester Ottos des Großen, an bei den Reichsversammlungen auf der Fürstenbank. Und hier im Schlosse war auch der Thronsaal. Es ist der Saal nebenan, in welchem ich die gnädige Frau vorweg bitten möchte, die roten Damasttapeten beachten zu wollen. Es ist Damast von Arras.«
    Und damit traten alle, von einem kleinen, bis dahin besichtigten Vorzimmer her, in den großen Thronsaal ein, in welchem, neben der so ruhmvoll erwähnten Damasttapete, nur noch der getäfelte Fußboden an die frühere Herrlichkeit erinnerte.
    Rosa sah sich verlegen um, was dem Führer nicht entging, weshalb er seinen Vortrag rasch wieder aufnahm, um durch Erzählungskunst den absoluten Mangel an Sehenswürdigkeiten auszugleichen. »Also, der Thronsaal, gnädige Frau«, hob er an. »Und hier, wo die Tapete fehlt, genau hier stand der Thron selbst, der Thron der Fürst-Abbatissinnen, ebenfalls rot, aber von rotem Samt und mit Hermelin verbrämt. Und mit dem zuständigen Wappen: Zwei Kelche mit einem Pokal.«
    »Ah«, sagte Rosa, »mit zwei Kelchen und einem Pokal... Sehr interessant.«
    »Und hier«, fuhr der Kastellan, während er auf einen großen, aber leeren Goldrahmen zeigte, mit einer immer volltönender und beinah feierlich werdenden Stimme fort, »hier in diesem Goldrahmen befand sich die Hauptsehenswürdigkeit des Schlosses: der Spiegel aus Bergkristall. Der Spiegel aus Bergkristall, sag ich, der sich zurzeit in den skandinavischen Reichen, und zwar in dem Königreiche Schweden, befindet.«
    »In

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