Zur Liebe verurteilt
1
Mr. Hunter, ich möchte Sie bitten, mich zu heiraten.«
Cole brachte kein Wort heraus. Er war einfach sprachlos. Eines der wenigen Male in seinem Leben. Es war zwar schon oft vorgekommen, daß er den Mund gehalten hatte. Aber dann waren ihm tausend Gedanken durch den Kopf gejagt, die er lieber nicht hatte äußern wollen. Davon konnte diesmal keine Rede sein.
Er war nicht etwa schockiert darüber, daß eine Frau ihn bat, sie zu heiraten. Ohne angeben zu wollen, konnte er darauf verweisen, daß ihm im Leben schon einige Heiratsanträge gemacht worden waren. Na ja, vielleicht sollte man besser Vorschläge sagen. Und sicherlich waren es nicht gerade ehrbare Frauen gewesen. Auf jeden Fall hatte es schon Frauen gegeben, die ihm gegenüber von Heirat gesprochen hatten.
Es berührte ihn nur unangenehm, daß ihn ausgerechnet diese Frau darum bat. Diese kleine Person gehörte nämlich zu der Sorte Frauen, die immer so taten, als gäbe es gar keine Männer, und ihre Röcke an sich rafften, wenn man ihnen auf der Straße begegnete. Manchmal erwartete einen so eine Frau später nach der Kirche irgendwo hinten in einer Scheune. Aber von Heirat pflegten sie nicht zu sprechen, und sie luden einen auch nicht zum sonntäglichen Abendessen ein.
Er wollte gern glauben, daß dieses kleine Ding Schwierigkeiten hatte, einen Mann zu finden. Sie hatte nichts an sich, das einen Mann reizen konnte, abgesehen von einer beachtlichen Oberweite. Aber er hatte schon bessere Busen gesehen. Sonst war sie eine Frau, die man nicht einmal beachten würde, wenn sie einem auf dem Schoß saß. Nicht hübsch, nicht häßlich, nicht einmal angenehm. Ein nichtssagendes Gesicht. Sie hatte stumpfe braune Haare, die so dünn waren, daß wohl selbst ein Dutzend rotglühende Feuerhaken nicht genügen würde, um auch nur eine einzige Locke darin zu legen. Unscheinbare braune Augen, unscheinbare kleine Nase, unscheinbarer kleiner Mund. Außer dem nett gerundeten Busen keine gute Figur. Keine Hüften, keine vielversprechenden Kurven.
Und dann ihr Auftreten! Cole mochte Frauen, die so aussahen, als ob sie gut im Bett seien - und auch außerhalb. Frauen, die lachen und ihn mitreißen konnten. Doch dieses spröde kleine Ding wirkte weder freundlich, noch schien sie eine Spur von Humor zu haben. Sie erinnerte an eine Lehrerin, die keine Ausrede gelten ließ, wenn man seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte. Oder an die Frau, die sonntags die Blumen in die Kirche stellt. Oder an ein Mädchen, dem man Tag für Tag begegnet, ohne daß man je auf die Idee käme, sich auch nur nach ihrem Namen zu erkundigen.
Wie eine verheiratete Frau sah sie auch nicht aus. Man traute ihr nicht zu, überhaupt je einem Mann im Bett Wärme gegeben zu haben. Der Mann in ihrem Bett war höchstens einer, der ein langes weißes Nachthemd und eine Schlafmütze trug. Und falls sie im Bett etwas anstellten, dann höchstens zum Zwecke der Fortpflanzung.
Umständlich zündete Cole eine dünne Zigarre an, um sich von dem Antrag erholen - und nachdenken zu können. Er war in seinem Leben viel herumgekommen, hatte viele Menschen kennengelernt und war notge-drungen ein guter Menschenkenner mit raschem Urteil geworden. Aber aus dieser Frau wurde er nicht klug. Er zählte jetzt 38 Jahre, und wenn er jünger wäre, hätte er angenommen, daß so eine Frau sich dringend nach einem Mann sehnte, der ihr Wärme geben konnte. Denn die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß Frauen, die kalt wirken, auch kalt sind. Einmal hatte er sich monatelang bemüht, eine unansehnliche, spröde Frau von ihrer Art zu verführen, nur weil er dachte, unter dem streng verschnürten Kleid schlummerte ein Vulkan. Aber als er ihr schließlich die Unterhosen ausziehen durfte, hatte sie nur steif, mit geballten Fäusten und zusammengebissenen Zähnen dagelegen. Es war das einzige Mal in seinem Leben, daß er einfach nicht konnte. Danach war er geheilt und stellte nur noch solchen Frauen nach, die den Eindruck erweckten, sie würden seine Avancen begrüßen. Das war einfacher.
Da stand sie nun vor ihm: eine frigide kleine Maus, das Kleid bis ans Kinn zugeknöpft, die Ellenbogen dicht am Körper und vermutlich die Knie, die nicht zu sehen waren, fest zusammengepreßt.
Er selber saß auf einem hartgepolsterten Sessel, den seine Pensionswirtin für modisch hielt, fummelte mit dem Streichholz und der Zigarre herum und wartete auf ihren nächsten Schritt. Denn bisher war die Initiative von ihr ausgegangen. Sie hatte ihm geschrieben, sie
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