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Cécile

Cécile

Titel: Cécile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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verlief zu allseitiger Zufriedenheit, ganz besonders auch zur Freude Céciles. Ja, sie war durch den Besuch der prächtig kühlen Kirche so gekräftigt und erfrischt worden, daß man auf
ihren
Vorschlag das Programm überschritt und guten Mutes die schon aufgegebene Partie nach dem Rathause machte, wo man erst den Roland und gleich danach das Gefängnis des Regensteiners bewunderte. Daran schloß sich dann unmittelbar ein ziemlich mittägliches Frühstück an Ort und Stelle. Kulmbacher Bier, wofür das Rathaus ein Renommee hatte, wurde bestellt, und Cécile war entzückt, als der Wirt die schäumenden und frisch beschlagenen Seidel brachte. »Wieviel schöner doch als eine Table d'hôte«, sagte sie. »Pierre, votre santé... Fräulein Rosa, wohl bekomm's... Herr von Gordon, Ihr Wohl.« Und während sie so plauderte, stieß sie mit ihrem Seidel an, sprach von dem Regensteiner, der es achtzehn Monate lang nicht voll so gut gehabt habe, und war überhaupt wie ein Kind. Nur als die Malerin auf die Bilder der Äbtissinnen zurückkam und bei der Gelegenheit bemerkte, daß auch noch im Rathaussaale (wie der Herr Wirt ihr eben verraten) ein Bild der schönen Aurora sei, »besser und jedenfalls echter als das im Schloß«, brach Cécile rasch ab und sagte verstimmt und in beinahe heftigem Tone: »Bilder und immer wieder Bilder. Wozu? Wir hatten mehr als genug davon.«
     
    Gegen fünf Uhr war man in Thale zurück, und Cécile, die sich nach Ruhe sehnte, verabschiedete sich für den Rest des Tages. »Bis auf morgen, Fräulein Rosa; bis auf morgen, Herr von Gordon.«
    Und dieser Morgen war nun da.
    Gordon, der am Abend vorher noch einem Konzert auf dem Hubertusbade beigewohnt und bei dieser Gelegenheit eine halbe Stunde lang mit der Malerin über Samarkand und Wereschagin, dann aber mit dem ebenfalls erschienenen St. Arnaud über den Quedlinburger Roland, den Regensteiner und vieles andere noch geplaudert hatte, hatte sich's, um den Morgen zu genießen, auf einem Fauteuil am Fenster bequem gemacht und blies eben den Dampf seiner Havanna in die frische Luft hinaus. Er ließ dabei die Vorgänge des letzten Tages, darunter auch die Bilder der Fürst-Abbatissinnen, noch einmal an sich vorüberziehen und begleitete den Zug ihrer meist grotesken Gestalten mit allerhand spöttisch erbaulichen Betrachtungen. »Ja, diese kleinen Grandes Dames aus dem vorigen Jahrhundert! Wie wird eine freiere Zeit darüber lachen, wenn sie nicht
jetzt
schon darüber lacht. Es gibt nichts, an dem sich das Wesen der Karikatur so gut demonstrieren ließe. Meist waren sie häßlich oder doch mindestens von einem unschönen Embonpoint, und alle hielten sie sich einen Kammerherrn und einen Mops, wuschen sich nicht oder doch nur mit Mandelkleie und waren ungebildet und hochmütig zugleich. Ja, auch hochmütig. Nur nicht gegen ihren Leibdiener.« Er malte sich das alles noch weiter aus, bis sich ihm plötzlich vor eben diese groteske Gestaltenreihe die graziöse Gestalt Céciles stellte, wechselnd in Stimmung und Erscheinung, genau so, wie sie der vorhergehende Tag ihm gezeigt hatte. Jetzt sah er sie, wie sie, sich vorbeugend, die Inschrift auf dem Grab-Obelisk des Bologneser Hündchens las, und dann wieder, wie sie bei dem Gespräch über die Schönheitsgalerien und die Gräfin Aurora nahezu von einer Ohnmacht angewandelt wurde. War das alles Zufall? Nein. Es verbarg sich etwas dahinter. Aber dann vernahm er wieder das heitere Lachen und sah, wie sie, glückstrahlend, den Krug nahm und anstieß. »Ihr Wohl, Fräulein Rosa; Herr von Gordon, Ihr Wohl.« Und er empfand dabei deutlich, daß, was immer auch auf ihrer Seele laste, die Seele, die diese Last trage, trotz alledem eine Kinderseele sei.
    »Clothilde muß von ihr wissen«, sprach er vor sich hin. »Und wenn sie nichts weiß, so doch von ihr hören können. Liegnitz ist just der Ort dazu, nicht zu groß und nicht zu klein, und was das Regiment nicht weiß, das weiß die Ritter-Akademie. Die Schlesier sind ohnehin miteinander verwandt und haben einen schwatzhaften Zug. Schwatzhaftigkeit, Eigensinn und ›so gerne‹ hat Rübezahl jedem der Seinen in die Wiege gelegt. Ja, Clothilde muß es wissen, an sie zu schreiben hab ich ohnehin, und so denn two birds with one stone. Fräulein Schwester wird freilich sommerlich ausgeflogen und irgendwo im Gebirge sein, in Landeck oder in Reinerz oder gar in Böhmen. Aber was tut's? Die Post wird sie schon zu finden wissen. Wozu haben wir Stephan? Er kommt ja gleich nach

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