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Cécile

Cécile

Titel: Cécile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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noch über die seines Reimes hinausging.
    »Es gibt keine Querlen«, entschied Rosa. »Was Inkulpat meint, wenn er überhaupt etwas gemeint hat, sind Quirle. Die gibt es. Herr von Gordon, ein Pfand. Und nun Sie, Herr Eginhard. Ich bitte Sie, Sie bei diesem Vornamen, ich möchte fast sagen im Namen der Poesie, nennen zu dürfen.«
    Eginhard begann, während er vor sich hin starrte, seine Brillengläser zu putzen. Aber mit einem Male lag etwas Leuchtendes um seine Stirn, und er sagte mit einem Anfluge von historischer Würde:
     
    »Der kleinste Fürst im Deutschen Reich, das war der Fürst von Werle,
    Der kleinste Fisch in Bach und Teich ist immer noch die Schmerle.«
     
    Rosa bestritt sofort wieder, daß es einen Fürsten von Werle gegeben habe, wobei Cécile sekundierte. St. Arnaud aber trat nicht nur für den Privatgelehrten ein, sondern setzte sogar mit vieler Feierlichkeit hinzu, daß er sich einer Mesalliance zwischen einem Werleschen Fürsten und einer anhaltischen Prinzessin entsinne. Darauf brach er ab und wandte sich an Rosa: »Nun aber
sie
, meine Gnädigste.«
    Diese verneigte sich lächelnd und sagte dann: »Ich finde, die Herren haben sich's schwer gemacht, um mir es leicht zu machen. An dem Zunächstliegenden sind Sie vorübergegangen. Entscheiden Sie selbst, ob ich recht habe:
     
    Genug, genug der Reimerein auf Schmerlen oder Schmerle,
    Hoch, dreimal, unsre schöne Frau, der Perlen schönste Perle.«
     
    Dabei erhob sie sich und ging auf Cécile zu, um ihr die Hand zu küssen. Diese litt es aber nicht, sondern umarmte sie mit einem Anflug von Verlegenheit, zugleich sichtlich bewegt durch diese Huldigung einer heiteren und liebenswürdigen Natur.
    Etwas wie Sentimentalität schien aufkommen zu wollen, der Präzeptor aber, der kein Freund davon war, stellte den früheren Ton rasch wieder her, und unter Vortrag aller möglichen Anekdoten aus seinem eigentümlichen, halb als Kantor und halb als Pastor verbrachten Leben verging das Mahl, das niemand Miene machte gewaltsam abzukürzen.
    Endlich aber erhob man sich, und als man in das Tempelchen hinaufstieg, um bei frischer Luft und freier Aussicht den Kaffee zu nehmen, war die Sonne schon im Niedergehen und hing über den Tannen der Berghöhe. Nun sank sie tiefer und durchglühte die Spitzen der Bäume, die momentan im Feuer zu stehen schienen.
    Alles war schweigend in das herrliche Schauspiel vertieft, und man sah erst wieder auf, als zu fröhlichem Sprechen und Lachen, von dem man nicht recht wußte, woher es kam, allerlei Stimmen laut wurden, die das Echo wecken wollten. Aber es antwortete nicht.
    Inzwischen waren die vom Dorf her ungesehen und ungekannt Heranziehenden immer näher gekommen, und als sie plötzlich um einen Vorsprung bogen, der sie bis dahin verborgen hatte, bemerkten unsre Freunde, daß es alte Bekannte waren.
    »Die Turner«, rief Cécile. »Sie werden uns noch einmal begrüßen wollen.«
    Und wirklich schlossen sie sich, als sich der Weg wieder zu verbreitern begann, zu Sektionen zusammen und marschierten in festem Tritt, und während die Tambours schlugen, auf die Stelle zu, wo die schmale, fast zu Füßen von Burg Rodenstein liegende Holzbrücke nach dem andern Ufer hinüberführte. Drüben aber nahmen sie nicht Aufstellung en ligne, sondern im Halbkreis, und stimmten hier, umleuchtet von dem Lichte des hinscheidenden Tages, den Scheffelschen »Rodensteiner« an:
     
    »Das war der Herr von Rodenstein,
    Der sprach: ›Daß Gott mir helf,
    Gibt's nirgends mehr 'nen Tropfen Wein
    Des Nachts um halber zwölf?
    Raus da, raus da,
    Raus aus dem Haus da,
    Herr Wirt, daß Gott mir helf.‹«
     
    Unsre hoch oben stehenden Freunde horchten weiter, aber es blieb bei dieser Strophe. Die Turner brachen mitten im Singen ab, lachten und lärmten und konnten sich an ihrem endlos wiederholten »Raus da, aus dem Haus da« kein Genüge tun.
    Von dem Tempelchen her aber klatschte man jetzt Beifall, und der alte, ganz aus dem Häuschen geratene Präzeptor verschwor sich ein Mal über das andere, ein Faß »Echtes« auflegen und die jungen Leute zu Gaste laden zu wollen.
    Aber diese, die den Gesang nur im Anblick der Gasthausinschrift ›Zum Rodenstein‹ improvisiert hatten, begnügten sich, zum Gegengruß ihre Mützen zu schwenken, und marschierten gleich danach in den Wald hinein und auf Treseburg zu.

 
Fünfzehntes Kapitel
     
    Eginhard und der Emeritus hatten vor, auf Schloß Rodenstein zu bleiben, um anderntags einen »überaus lohnenden«

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