Century Love - Tödliches Fieber: Roman (German Edition)
gedehnt.
Ruby überlegte kurz.
»Hmmm … also, sie ist … äh, eine starke Persönlichkeit … Am besten sagst du so wenig wie möglich«, antwortete sie schließlich. »Dann gibst du ihr auch keinen Anlass, sich über irgendwas aufzuregen.«
»Klingt unheimlich«, stöhnte Omar.
»Nicht schlimm, ich bringe dir doch sowieso das Reiten bei. Dann laufen wir ihr nicht so oft über den Weg.«
Omar nickte. »Und was machst du in den Ferien, Eva?«
»Ich fahre nach Hause«, brummte ich.
»Wohin denn?«
»Nach York.« Ich konnte es kaum aussprechen.
Ruby drückte meine Hand. »Arme Eva … im Vergleich mit deinen Ferien werden unsere bestimmt himmlisch.«
»Warum lädst du Eva dann nicht auch noch ein?«
»Was?«, stammelte ich.
»Omar! Was für eine coole Idee! Wieso bin ich nicht selbstdarauf gekommen? Platz haben wir genug, und wenn Eva dabei wäre, würde das mit meiner Mutter nur halb so schlimm. Abgesehen davon mag sie Eva bestimmt – sie steht total auf superschlaue Leute …«
»Vielen herzlichen Dank.« Omar tat beleidigt. »Zucker für mein Ego.«
»Und, was hältst du davon?« Ruby lächelte mich an. Omar tat dasselbe.
Meine Stoßgebete waren offenbar erhört worden, aber irgendetwas gefiel mir daran nicht. Ich musste Zeit schinden.
»D-danke, Ruby, das ist supernett, aber ich muss …«
»Du musst was? Nachsehen, wie viele Daumenschrauben dein Bruder gesammelt hat, bevor du dich entscheidest? Komm, Eva! Du weißt genau, dass es dir mit uns viel besser geht.«
»Ruby – ich …«
»Psst, Eva, ich muss was erledigen.«
Eine SMS – das musste sie erledigen.
»So, fertig. Keine Diskussion, Eva, die Sache geht klar.«
So einfach war das, ich war für die Ferien versorgt. Als ich meine Mutter am Abend anrief, klang sie regelrecht erleichtert, aber das war nichts im Vergleich zu dem Stein, der mir vom Herzen gefallen war.
Mein ungutes Gefühl bewahrheitete sich nicht. Wir hatten sehr viel Spaß miteinander.
Ich kam wunderbar mit Martha Gaine aus. Sie hatte eine spitze Zunge, aber sie war auch lustig – mich brachte sie jedenfallsdauernd zum Lachen. Rubys Vater lernte ich nicht kennen, weil er wegen eines Falls im Ausland war, aber ihre jüngere Schwester Jess war sehr nett.
Ich stieg sogar aufs Pferd. Ruby ritt mit jedem von uns beiden mehrmals aus und ich fand es ganz toll – die Höhe und die Geschwindigkeit.
»Verdammt, Eva, gibt es eigentlich irgendwas, das du nicht kannst?«
»Was meinst du damit?«
»Ach, nur, dass du jetzt auch noch in null Komma nichts Reiten gelernt hast. In der ersten Stunde galoppiert man eigentlich noch nicht.«
Ich zuckte die Achseln. Ich hatte nicht das Gefühl, etwas Schwieriges zu beherrschen, weil es mir ganz natürlich erschien.
Später gingen wir drei mit Jess lange im raschelnden Laub ihres Anwesens spazieren – ganz richtig: ihres ANWESENS. Rubys Haus war unermesslich groß und schön, mit einem Giebeldach und von Efeu berankt stand es inmitten blühender Gärten.
Am letzten Tag lud Martha uns in ihr Atelier ein. Sie arbeitete jenseits der Stallungen in einem herrlichen Gebäude mit Glasdach.
Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber das bestimmt nicht. Martha Gaines Installationen stellten große abstrakte Kunst mit Videos, Wasser, Flammen und sogar Eis dar, weshalb ich annahm, ihr Atelier wäre voll davon. Doch an den Wänden hingen zarte Zeichnungen von Blättern, Federn, Knochen und Steinen. Auf den Regalen stapelten sich winzigeDinge in Glasgefäßen: Insekten, Süßigkeiten oder Puppenmöbel…
Als sie meinen interessierten Blick sah, winkte sie ab und sagte: »Ich lasse mich manchmal von den erstaunlichsten Dingen inspirieren.«
Ich nickte und sah zu Omar hinüber, der ein Gefäß mit winzigen Beeren betrachtete. Leider hatte er Rubys Rat zu wörtlich genommen und die ganze Zeit kaum etwas zu Martha gesagt. Sie musste ihn für mundfaul halten. Ich dagegen schnatterte die ganze Zeit, obwohl ich normalerweise unter Menschen eher verstummte und obwohl Ruby auch mir geraten hatte, bei ihrer Mutter ja nicht aufzufallen. Meiner Meinung nach hatte Marthas aggressive Energie etwas Ansteckendes.
Als wir abends im Zug nach St. Magdalene’s saßen, musste ich Ruby dann doch fragen, ob sie nur zum Spaß so einen Wind um ihre »verrückte« Mutter gemacht hatte, um uns einen Schrecken einzujagen.
»Ernsthaft, Eva, so sanft habe ich sie noch nie erlebt.«
»Sanft, das wüsste ich aber!«, protestierte Omar.
»Sie war wirklich
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