Changelings
sie wiegten sich hin und her und sagten keinen Ton. Yanas Gesicht war feucht von Tränen. Dinah O'Neill musterte Sean von oben bis
unten, als wäre sie erfolglos auf der Suche nach irgend etwas, wobei ihr Grinsen allerdings eher etwas von einem Feixen an sich hatte. Megenda zitterte noch immer, wenn auch nicht mehr ganz so heftig, seit er eine warme Suppe im Magen hatte. Yana und Diego hatten sich während Bunnys Abwesenheit der Piratenkleider und ihrer eigenen entledigt und sich statt dessen der Ersatzwäsche und Decken der Sirgituks bedient. Auf dem Herd kochte ein Kessel.
»Dinah O'Neill, das sind Muktuk Murphy O'Neill und Chumia
O'Neill, Ihre Verwandten. Und der Mann am Feuer ist der Erste Maat Megenda von der Jenny«, stellte Bunny sie vor.
»Sei gegrüßt, Blutsverwandte«, sagte Muktuk. »Obwohl ich glaube, daß wir uns erst mal ausgiebig unterhalten sollten, bevor hier irgend jemand bereit sein dürfte, dich richtig willkommen zu heißen. So, dann wollen wir uns erst einmal um diesen Burschen kümmern. Was meinst du Sinead? Ein Schlückchen von dem Saft, vielleicht?«
Sinead war Muktuk in die Hütte gefolgt und musterte gerade
Dinah O'Neill, allerdings mit einer alles andere als gütigen Miene.
Wenigstens hatte sie sich schon ein bißchen entkrampft, nachdem sie sich davon überzeugen konnte, daß es Yana immerhin gut genug ging, um sich an Sean zu klammern, und so richtete sie ihre Aufmerksamkeit nun auf den zitternden Megenda. »Habt ihr etwas von Clodaghs Saft da?« Muktuk nickte. »Halte immer ein wenig davon bereit, seit damals, als er meinen Bruder wieder zum Leben erweckt hat, nachdem er mitten im Winter in ein Angelloch gestürzt war.«
Er wühlte in einer der Hängeschubladen im Kücheneck des Hauses und zerrte eine große braune Flasche hervor. Die hielt er gegen das Licht und schüttelte sie leicht, um die Menge zu prüfen. Zufrieden holte er dann ein Glas herunter, goß genau zwei Fingerbreit ein und reichte es schließlich an Megenda weiter. »Damit das Zittern aufhört, bevor Ihre Gelenke sich noch ablösen.«
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Es war nicht zu übersehen, daß Megenda in seiner derzeitigen Verfassung buchstäblich alles zu sich genommen hätte, was seine Erfrierung zu lindern versprach. Er packte die beiden Enden des Fellteppichs mit einer großen Hand und kippte den Inhalt des Glases in einem Zug hinunter.
Muktuk beobachtete ihn dabei, und Megenda erwiderte seinen
Blick geradeheraus, zunächst noch ein wenig oberflächlich, bis seine Eingeweide schließlich Bekanntschaft mit dem Saft machten. Dann allerdings traten ihm die Augen hervor, als würden sie jeden Moment aus dem Kopf platzen, und er keuchte und stieß die Luft so heftig aus, daß selbst Bunny auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers zurückzuckte, als der Atemstoß sie erreichte.
Dinah O'Neill fragte wütend: »Was haben Sie ihm da gegeben?«
»Genau dasselbe, was Clodagh ihm gegeben hätte, wenn sie
hiergewesen wäre«, antwortete Bunny hämisch. »Schauen Sie nur zu. Das wird ihm schon die Zitterei vertreiben. Genauso, als hätte er eine glühende Eisenstange verschluckt.«
Megenda, der den Mund immer noch weit aufgesperrt hatte, atmete ebenso tief ein, wie er gerade die Luft ausgestoßen hatte, füllte seine Lungen, schüttelte den Kopf und blieb schließlich kerzengerade und ohne jedes Schütteln vor dem Feuer stehen.
»Was war da drin?« fragte er mit einer Reibeisenstimme und ließ dabei das Fell von seinen Schultern gleiten. Seine Beobachter konnten nun die Schweißperlen auf seiner Stirn erkennen. So nahe er vorhin auch am Feuer gestanden hatte - die Wärme hatte doch nicht genügt, um ihn zum Schwitzen zu bringen.
Sean mußte grinsen. »Clodagh Senungatuk braut das Zeug für die Hundeschlittenführer, falls sie mal unterwegs im Eis einbrechen und naß werden. Hab' es selbst schon einige Male gut gebrauchen können.«
»Zum Beispiel, wenn Sie nach einer ordentlichen Schwimmpartie aus dem Wasser gestiegen sind?« fragte Dinah O'Neill mit einem seltsamen Lächeln auf den Lippen, während sie Sean mit
schräggelegtem Kopf musterte.
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Er blickte sie lange und unverblümt an. Dann lächelte er zurück.
»Bei solchen Gelegenheiten brauche ich das nicht. Dann bin ich nämlich in meinem Element.« Er zeigte zum Tisch hinüber, zog einen der Stühle hervor und ließ Yana darauf Platz nehmen. Die ganze Zeit hatte er ihre Hand nicht losgelassen, und er hielt sie auch während des nun folgenden Gesprächs
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