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Charles Dickens

Charles Dickens

Titel: Charles Dickens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Dieter Gelfert
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David Copperfield
zu denken, in der ihn sein Sohn verewigt hat. Micawber ist ein liebenswerter Luftikus, der unfähig ist, seine Ausgaben den Einnahmen anzupassen, was schließlich zu seiner Inhaftierung im Schuldgefängnis führt. Doch selbst im Gefängnis lässt er sich nicht von der optimistischen Erwartung abbringen, dass irgendetwas schon «auftauchen» werde. Als Dickens Jahre später mit Mr. Dorrit noch einmal eine Figur schuf, die an seinen Vater erinnert, fiel das Bild weit weniger freundlich aus. Hier wird aus dem liebenswerten Lebenskünstler ein kaltherziger Egoist, der selbst noch in den 20 Jahren seiner Schuldhaftden Dünkel eines vornehmen Herrn kultiviert und seine Mitmenschen, seine Verwandten und engsten Freunde schamlos ausnutzt, wenngleich ihn eine Art tragischer Aura umweht. Für Charles scheint das Bild des Vaters zwischen diesen beiden Extremen geschwankt zu haben.
    Der reale John Dickens, der sich in seinem späteren Leben über weite Strecken als fleißig, tatkräftig und durchaus nicht wehleidig erweisen sollte, wird von Zeitgenossen als ein fantasievoller, für Kunst und Musik aufgeschlossener, gastfreundlicher und hilfsbereiter Mann beschrieben. Von kleiner Gestalt und in späteren Jahren wohlbeleibt, war er lebhaft, zu jedem Spaß aufgelegt und einem Glas Grog nie abgeneigt. Seine Frau nannte ihn nach seinem Tode den «liebevollsten Gatten und Vater» und schrieb: «Niemals war ein Mann selbstloser als er.»
    In ihren Temperamenten scheinen die beiden Eheleute bestens zueinander gepasst zu haben. Auch Elizabeth war eine lebhafte, humorvolle Frau, deren Sinn für Komik noch ausgeprägter war als der ihres Mannes. Nach ihrem Tode schrieb Mrs. Davey, in deren Haus ihr Mann 1851 gestorben war, über sie:
    Sie hatte sehr helle nussbraune Augen und war eine so durch und durch gutmütige, unkomplizierte und umgängliche Frau, wie man sie sich nur wünschen konnte. […] Sie besaß einen außerordentlichen Sinn fürs Lächerliche, und ihre Fähigkeit zu Imitieren war etwas höchst Erstaunliches. Wenn sie einen Raum betrat, musterte sie fast unbewusst das gesamte Inventar, und wenn sie auch nur irgendetwas entdeckte, was fehl am Platz zu sein schien und daher lächerlich wirkte, konnte sie es danach auf die drolligste Weise beschreiben. Auf diese Art nahm sie die persönlichen Eigenheiten all ihrer Freunde und Bekannten wahr. Sie hatte auch einen feinfühligen Sinn für das Mitleiderregende und konnte Tränen in die Augen ihrer Zuhörer bringen, wenn sie eine traurige Begebenheit berichtete.
    Diese Beschreibung mutet wie ein Porträt ihres berühmten Sohnes an, der die genannten Eigenschaften – die wachen Augen, den Sinn für Komik, das Imitationstalent und die Fähigkeit, Mitleid zu wecken – von ihr geerbt zu haben scheint.
    In Portsmouth verbrachten John und Elizabeth sechs Jahre. Dortwurde 1810 ihr erstes Kind, die Tochter Frances Elizabeth (gen. Fanny), geboren. 1812 folgte der erste Sohn Charles und im Jahr darauf Alfred Allen, der aber mit sechs Monaten starb. In dieser Zeit erfreute sich die junge Familie eines bescheidenen Wohlstands. Als der Krieg Englands gegen Napoleon in die Endphase ging, hatte John Dickens reichlich zu tun; denn Portsmouth war der wichtigste Hafen der Kriegsmarine, und die Berechnung des Solds der Matrosen erforderte größte Sorgfalt, da jedes zu viel gezahlte Pfund dem verantwortlichen Angestellten des Zahlamts vom eigenen Gehalt abgezogen wurde. John Dickens scheint dabei seine Vorgesetzten so zufriedengestellt zu haben, dass sie sein Gehalt auf 231 Pfund erhöhten. Als 1814 Napoleon besiegt und auch der Krieg gegen die Vereinigten Staaten von Amerika beendet war, reduzierte die Königliche Marine ihr Personal, was für John Dickens nicht nur eine Versetzung zur Hauptverwaltung nach London, sondern dazu noch eine Gehaltsminderung zur Folge hatte. Aber auch jetzt annoncierte er 1816 die Geburt seiner zweiten Tochter, Laetitia Mary, stolz als «Gentleman». Im Jahr darauf folgten im Abstand von sechs Monaten zwei weitere Umzüge, zuerst nach Sheerness und dann nach Chatham, wo die Familie für die nächsten fünfeinhalb Jahre blieb.
    In dieser Zeit stieg Johns Gehalt von 200 auf 441 Pfund, was ihm ein komfortables Leben gestattet hätte. Doch inzwischen scheint er sich an einen Lebensstil gewöhnt zu haben, für den selbst das gestiegene Gehalt nicht mehr ausreichte. Im August 1819 borgte er sich 220 Pfund, die er in Jahresraten von 26 Pfund zurückzahlen

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