Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
eingehandelt zu werden. Als wichtigstes Exportgut des Ostens betrachtet die neuere Forschung unfreie Menschen, die als Sklaven in den byzantinischen und den islamischen Machtbereich verkauft wurden.
Ansätze von politischer Ordnung
    Entgegen der romantischen Vorstellung noch des 19. Jhs. von einem Urzustand der allgemeinen Gleichheit zeugen archäologische Befunde aus Gräbern ebenso wie Rechtsquellen und manche chronikalischen Berichte von erheblichen sozialen Unterschieden nicht bloß in der spätrömischen und byzantinischen Gesellschaft, sondern von vornherein auch unter den Barbaren, die nach und nach mit dem Imperium in Berührung kamen. Überall findet sich eineFührungsschicht, die sich durch Verfügungsgewalt über Land und Leute von der Masse der übrigen Menschen abhob. Ihr Umfang und ihre Zusammensetzung waren durchaus variabel. Beträchtliche Umschichtungen hatte gewiß die Zeit der Wanderungen und der Etablierung von Herrschaft auf Reichsboden bewirkt, was ja vielfältige Chancen zur militärischen Bewährung und zum Erwerb von Reichtümern mit sich brachte, auf die Dauer aber auch den Weg zu einer Verschmelzung von romanischen und barbarischen Eliten eröffnete. Soweit der Vorrang erblich wurde und sich nicht zuletzt auf das Ansehen ruhmreicher Vorfahren gründete, können wir von Adel sprechen, der indes kaum als homogene Gruppe in Erscheinung trat, sondern in sich mannigfache Abstufungen und Rivalitäten aufwies.
    Seine höchste Stufe war das Königtum, dessen Inhaber stets aus dem Adel hervorgingen und im Banne römischer, bald auch christlicher Leitbilder zu einer übergeordneten Stellung, meist mit dynastischem Zukunftsanspruch, zu gelangen vermochten. Das verschaffte ihnen die Mittel, um steuernd in das Gefüge der Führungsschicht einzugreifen, indem sie Aufstiege und Abstiege beförderten, doch blieben sie jederzeit auf die Loyalität des Adels insgesamt angewiesen. Er allein war imstande, dank seinen regionalen Machtpositionen die königliche Autorität in der Fläche zur Geltung gelangen zu lassen und im Bedarfsfall ein schlagkräftiges bewaffnetes Aufgebot zu gewährleisten. Wo es Königen nicht gelang, das Einvernehmen mit dem überwiegenden Teil ihrer «Großen» zu wahren und Unzufriedene auszugrenzen, liefen sie Gefahr, politisch an den Rand gedrängt oder gar von Anführern übermächtig gewordener Adelsgruppen gestürzt zu werden.
    Königtum und Adel waren nicht bloß die bestimmenden Faktoren der politischen Entwicklung, sondern kommen wegen ihrer herausgehobenen Stellung und ihres weiteren Horizonts auch vornehmlich als Träger des ethnischen Bewußtseins in Betracht, das die verschiedenen nachantiken Reiche prägte. Hatte die Zeit der Auseinandersetzungen mit dem westlichen Imperium im 5. Jh. noch einen «supragentilen» Militäradel ohne exklusive Bindung an einbestimmtes Volk gekannt, so verfestigte sich seit dem 6. Jh. zusammen mit den einzelnen Reichen die Bereitschaft zur Identifizierung mit den überkommenen oder ad hoc erzeugten Überlieferungen von einer allen gemeinsamen Benennung, Herkunft und Geschichte zur Unterscheidung von anderen Völkern. Das so entstandene «Nationalgefühl» war stark genug, um notfalls auch nach einem Untergang des Königtums von der verbleibenden Führungsschicht weiter tradiert werden zu können, wie sich am Beispiel der Burgunder und später der Langobarden zeigt.
Christentum und Kirche
    Das Christentum war ein Erbe der Antike, das seine Wurzeln ebenso wie das ältere Judentum und der jüngere Islam im Orient hatte. In Europa war dieser Glaube, begünstigt durch die Konstantinische Wende, seit dem 4. Jh. im gesamten Imperium Romanum verbreitet und zu einem unterscheidenden Merkmal gegenüber der heidnischen Barbarenwelt jenseits der Reichsgrenzen geworden. Organisatorisch handelte es sich um einen Verbund bischöflicher Kirchen, gegliedert nach den Provinzen des Imperiums und gewohnt, in theologischen Auseinandersetzungen vom Kaiser und den von ihm beherrschten Konzilien maßgebende Weisung zu empfangen. Diese spätrömische Reichskirche in griechisch-lateinischer Doppelsprachigkeit erlebte einen letzten Höhepunkt mit dem Konzil von Chalkedon (451), auf dem eine Mehrheit östlicher Bischöfe die (dem Kaiser genehme) Lehrmeinung des Bischofs von Rom zur allgemeinen Richtschnur erhob.
    Fortan trennten sich die Wege. Während sich im Osten unter fortwährender Dominanz der Kaiser in Konstantinopel die orthodox-byzantinische Reichskirche

Weitere Kostenlose Bücher