Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200
umfassenden Namen der Römer nach wie vor eine Vielzahl von Völkern in sich vereinte und seit Konstantin († 337), dem Gründer des «Neuen Rom» an der Schnittstelle von Europa und Asien, auch den politischen Rahmen der Christenheit abgab. Die Kaiser, zumeist aus dem Militär hervorgegangen und angewiesen auf die Loyalität der Truppen, bezogen ihre Führungsrolle auf die weltlichen ebenso wie die geistlichen Dinge und verwandten daher in den theologischen Auseinandersetzungen der griechisch-orientalischen Kirche viel Energie auf das letztlich vergebliche Bemühen, in ihrem Reich (und darüber hinaus) die Einheit des christlichen Glaubens zu erzwingen. Das beeinträchtigte auch ihr Verhältnis zum lateinischen Westen, wo eine solche Kirchenhoheit des Kaisers auf erhebliche Vorbehalte stieß und im 6., 7. und 8. Jh. jahrzehntelange Konflikte heraufbeschwor, die der Autorität des römischen Kaisers auch politisch schadeten. Die militärische Rückgewinnung Italiens und Nordafrikas unter Justinian war trotz aller Anstrengungen nur von begrenztem Wert, weil schon ab 568 große Teile Italiens (jedoch nicht Rom) an die Langobarden verlorengingen und die verbleibenden Außenposten, organisiert als Exarchate von Ravenna und Karthago, angesichts stärkerer Bedrohungen des Imperiums an anderen Fronten sich selbst überlassen werden mußten. Schwer zu schaffen machte auf dem Balkan die Aggressivität des aus den Tiefen der asiatischen Steppe vorgedrungenen Nomadenvolks der Awaren, zumal sich die Nachfolger Justinians gleichzeitig im Osten in einen zermürbenden Krieg mit dem persischen Sassanidenreich verstrickt hatten. Den Höhepunkt der doppelten Bedrohung bildete ein konzentrischerAngriff von Awaren und Persern auf Konstantinopel im Sommer 626, der von Kaiser Herakleios († 641) mit knapper Not gemeistert und durch eine Gegenoffensive bis nach Persien und Mesopotamien beantwortet wurde. Der Triumph am Euphrat währte nur kurz, denn ab 633/34 brach über den gesamten Orient der Sturm der arabischen Völkerwanderung herein, der den byzantinischen Kaisern auf Anhieb Palästina, Syrien und Ägypten entriß und während der Jahre 674 bis 678 in fünfmaligem Angriff der arabischen Flotte auf Konstantinopel gipfelte. Zwar konnte sich die Kaiserstadt auch diesmal behaupten, aber in Nordafrika gab es bald danach schon kein Halten mehr: Mit dem Fall von Karthago (698) befand sich die gesamte Süd- und Ostküste des Mittelmeeres in der Hand der Muslime, und das Imperium der Römer, in dem sich mittlerweile Griechisch als Amtssprache vollkommen durchgesetzt hatte, war reduziert auf den überwiegenden Teil Kleinasiens, Thrakien, Griechenland und verschiedene Gebiete Italiens samt seinen Inseln. Der unablässige Druck der äußeren Feinde erforderte ständige Abwehrbereitschaft, was nicht ohne gravierende Folgen für das innere Staatsgefüge blieb. Die traditionelle Provinzverwaltung wurde durch regionale Militärgouverneure verdrängt, und neben die Gewinnung bezahlter Söldner trat zunehmend die Rekrutierung der Landbevölkerung.
Arabische Expansion
Tatsächlich waren Entstehung und Ausbreitung des Islam der weltgeschichtlich folgenreichste Vorgang des 7. Jhs., der im Vorderen Orient nachholte, was der lateinische Westen schon im 5./6. Jh. erlebt hatte: die Umwälzung vom Altertum zum Mittelalter. Freilich in ganz anderer Weise, denn der Anstoß ging hier von einem einzigen Manne aus, von Mohammed dem Propheten († 632), der die Stämme Arabiens im Zeichen einer neuen religiösen Idee, der unbedingten Hingabe an den Willen Allahs, des einzigen Gottes, einte und dabei das Konzept des «heiligen Krieges» gegen alle Widersacher entwickelt hatte. Im Unterschied zur germanischen Völkerwanderung zielte die arabische, die sogleich nach seinem Todein Gang kam, nicht auf Landnahme und bäuerliche Ansiedlung ethnisch verstandener Gruppierungen ab, auch nicht eigentlich auf die gewaltsame Ausbreitung der islamischen Religion, die zumindest anfangs als Vorrecht der Bewohner Arabiens betrachtet wurde, sondern auf die Unterwerfung von immer mehr «Ungläubigen», denen Steuern und Dienste abgenötigt wurden. Soweit sie Christen oder Juden waren, stand ihnen prinzipieller Schutz zu, was ihre Hinwendung zum Islam natürlich nicht ausschließen sollte, doch war anders als im lateinischen Westen an eine kulturelle Assimilierung der Eroberer an die Vorbevölkerung von vornherein nicht zu denken. Begünstigt durch die Erschöpfung des
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