Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell
Geleitwort
von Stéphane Hessel
In meinen frühen Jahren spielte Deutschland eine wichtige Rolle in meinem Leben, und nach meiner Zeit als Diplomat dann wieder. Das Land hat mir viel gegeben und einiges zugemutet. Buchenwald war der Verrat an dem Erbe von Weimar, aber das Heilmittel gegen Buchenwald hieß Weimar, das war mir immer bewusst.
Ich habe den Bombenangriff Ende August 1944 erlebt, bei dem die »Goethe-Eiche« niederbrannte, die man auf dem Appellplatz des Lagers hatte stehen lassen. Die Goethe-Verse in meinem Gedächtnis aber waren und sind unauslöschlich. Ich kenne das alte Deutschland, ich habe das Land in Trümmern gesehen, und ich habe erlebt, wie es sich erneuerte und eine positive Rolle in Europa spielte. Die Menschenrechte sind auch hier die Basis politischen Handelns geworden. Deutschland sollte sich überall in der Welt aktiv für sie einsetzen.
So viele Orte in Deutschland bedeuten mir etwas, neben Weimar natürlich Berlin, die Stadt meiner Kinderjahre, aber auch die Stadt, die ich in den Tagen nach dem Mauerfall erlebte; ferner Hohenschäftlarn bei München, wo meine Eltern die Villa Heimat bewohnten, und nicht zu vergessen Bad Saarow, wo eine Tante meinen Bruder und mich aufnahm. Aus späterer Zeit möchte ich nur Fischerhude nennen, den malerischen Ort zwischen Bremen und Worpswede, der für mich nicht nur mit dem Namen Rilke verbunden ist, sondern vor allem mit dem meiner Freunde Bontjes van Beek, also mit Widerstand und mit Menschlichkeit, mit Kunst und mit Lebenskunst. Das Gute, das Schöne an Deutschland, hier kann man es erleben.
Erinnerungen und Freunde also, unvergessliche Begegnungen. Seit fast 30 Jahren bin ich mit Manfred Flügge befreundet. Er hat 1987 meinen Bruder Ulrich, mich und meine Frau Christiane nach Berlin eingeladen. Es wurden anregende Tage, genauso wie später bei der Arbeit an dem Film
Der Diplomat
, zusammen mit Antje Starost und Hans-Helmut Grotjahn. Gern habe ich von meinen Erlebnissen erzählt, von den schweren und von den beglückenden, aber ich wollte nie bloßer Zeitzeuge sein, ich wollte mich engagieren und habe es auf meine Weise versucht. Denn wir alle sind verantwortlich für den Zustand der Welt. Also schauen wir nicht weg, wenn Unrecht geschieht, bei uns oder anderswo. Empörung hält jung – die Welt und uns!
Möge dieses Buch ein Zeichen der Freundschaft sein und der Hoffnung.
Paris im Dezember 2011
»Es gibt Erwählte, welche aus zweifelnder Demut und Selbstverwerfung nie an ihre Erwählung zu glauben vermögen, sie mit Zorn und Zerknirschung von sich weisen und ihren Sinnen nicht trauen, ja sich gewissermaßen sogar in ihrem Unglauben gekränkt fühlen, wenn sie sich trotzdem zuletzt in der Erhöhung sehen.
Und es gibt andere, denen in aller Welt nichts selbstverständlicher ist als ihre Erwähltheit, – bewusste Götterlieblinge, welche sich über gar nichts wundern, was ihnen an Erhöhung und Lebenskronen nur immer zufallen mag.«
Thomas Mann
»Quand je cesserai de m’indigner,
j’aurai commencé ma vieillesse.«
André Gide
»Past is prologue.«
Shakespeare
Für Juliette
Vorwort: Später Stern
Am Mittwoch, dem 20. Oktober 2010, vollendet Stéphane Hessel sein 93. Lebensjahr. An diesem Tag bringt ein Verlag in Montpellier unter seinem Namen ein kleines Buch heraus. Was für einschneidende Folgen dieses Geschenk haben würde, ahnt niemand, am wenigsten der Autor selbst, der nicht damit rechnen kann, dass sein ereignisreiches Leben um ein erstaunliches Kapitel ergänzt werden und seine Person eine neue Beleuchtung erfahren wird. Es gibt ein Davor und ein Danach. Und auch dieses Mal beginnt alles an seinem Geburtstag, der immer wieder ein Schicksalstag für ihn war.
Indignez-vous!
prangt als Titel auf der Broschüre mit 30 Seiten, von denen sein eigener Text 14 Druckseiten füllt, dazu zwei Seiten mit Anmerkungen sowie drei Seiten mit dem Nachwort der Herausgeber. Sylvie Crossman und Jean-Pierre Barou, die Gründer und Leiter von Indigène Éditions, sind optimistisch und haben eine Auflage von 8000 Exemplaren vorgesehen. Das waren bis zu diesem Zeitpunkt die besten Verkaufszahlen in ihrer kleinen Reihe, die mit dem Emblem des Sioux-Stamms der Omaha verziert ist: vier konzentrische Kreise und darum das Motto »Ceux qui marchent contre le vent« (Die gegen den Wind wandern). Aus Kostengründen hat man in Spanien drucken lassen. Das Heft soll vor allem von einer Vereinigung unabhängiger Buchhändler für einen
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