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Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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nicht einmal für das Geschenk gedankt. Sie hatten schweigend gegessen und dann gestritten. Nein, verbesserte er sich selbst, Bale hatte nicht gestritten. Das warst du ganz allein.
    Deine letzten Worte an Bale waren Worte des Zorns gewesen.
    Todeszeichen.
    Er schob den Löffel in den Beutel zurück und schüttete Erdblut in seine Hand. Er versuchte, darauf zu spucken, doch sein Mund war wie ausgedorrt. Er wankte zu einem kleinen Tümpel im Stein und verrührte das rötliche Ocker mit Wasser zu einer breiigen Paste. Auf dem Rückweg wickelte er Seegras um den Zeigefinger, damit er den Toten nicht direkt berührte.
    Bale lag auf dem Rücken. Sein Gesicht war unversehrt. Nur sein Hinterkopf war beim Aufprall wie eine Eierschale zerbrochen. Benommen tupfte Torak ihm Kreise aus Erdblut auf Stirn, Wangen und Ferse, genau wie damals bei Fa. Am schwersten war es gewesen, das Zeichen auf Fas Brust aufzumalen, dort, wo er sich das Mal der Seelenesser herausgeschnitten hatte. Auf Toraks Brust befand sich dieselbe Narbe, und wenn seine Zeit gekommen war, würde es ebenso schwierig sein, das Zeichen aufzutupfen. Bales Brust war glatt. Makellos.
    Als er damit fertig war, ging Torak neben dem Toten in die Hocke. Er wusste, dass er zu nahe am Leichnam saß, dass dies die gefährlichste Zeit war, solange sich die Seelen noch in der Nähe befanden und vielleicht versuchten, von einem Lebenden Besitz zu ergreifen. Dennoch rührte er sich nicht von der Stelle.
    Im Seegras knirschten Schritte, jemand rief seinen Namen.
    Torak drehte sich um.
    Als Renn sein Gesicht erblickte, blieb sie wie angewurzelt stehen.
    »Geh nicht weiter.« Seine Stimme klang rau und heiser, wie die eines Fremden.
    Sie rannte auf ihn zu, und als sie sah, was hinter ihm lag, wich ihr alles Blut aus dem Gesicht.
    »Er ist abgestürzt«, sagte Torak.
    Renn schüttelte stumm den Kopf, ihre Lippen bildeten ein stummes Nein und noch einmal: Nein . Torak sah, wie ihr Blick zu Bales erloschenen Augen wanderte, dem ringsum verspritzten Hirn und dem Blut unter seinen Nägeln. Die Erinnerungen an den Anblick des Toten würden sie von nun an für ihr restliches Leben begleiten, und Torak konnte nichts tun, um sie davor zu bewahren.
    Das Blut unter den Nägeln.
    Mit einem Mal überkam ihn die Bedeutung dieser Blutspur wie eine eisige Woge. Dieses Blut war nicht Bales Blut. Es musste noch jemand dort oben bei ihm auf der Klippe gewesen sein. Bale war nicht abgestürzt. Jemand hatte ihn gestoßen.
    Fin-Kedinn tauchte hinter Renn auf. Seine Finger schlossen sich fester um den Stab, und seine Schultern sanken herab, doch seine Züge blieben unbewegt. »Renn«, sagte er ruhig. »Geh und hole den Anführer des Robbenclans.«
    Er musste den Satz zweimal wiederholen, ehe seine Worte zu ihr durchdrangen, dann gehorchte sie ihm ausnahmsweise ohne Widerrede und trottete wie eine Schlafwandlerin zum Lager der Robben zurück.
    Fin-Kedinn drehte sich zu Torak um. »Wie ist das passiert?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Warum nicht? Warst du denn nicht bei ihm?«
    Torak zuckte zusammen. »Nein … ich, ich hätte bei ihm sein sollen.« Aber ich war nicht da. Wenn ich bei ihm geblieben wäre, hätte er nicht sterben müssen. Sein Tod ist meine Schuld. Meine Schuld .
    Sie blickten einander an und in Fin-Kedinns durchdringenden blauen Augen las Torak Verständnis – und Kummer. Kummer um ihn, Torak.
    Der Rabenführer hob den Kopf und ließ den Blick nachdenklich zum Klippenrand schweifen. »Geh hinauf«, sagte er nach einer Weile. »Finde heraus, wer das getan hat.«

    Die Morgensonne funkelte auf den Wacholderbüschen, als Torak den steilen Pfad zum Klippenrand emporkletterte. Bales Fußabdrücke waren deutlich zu erkennen. Torak kannte sie so gut wie die Spuren von Renn, Fin-Kedinn oder seine eigenen. Und es waren die einzigen auf dem Pfad. Wer den Robbenjungen auch getötet haben mochte, hatte mit Gewissheit nicht diesen Weg eingeschlagen. Der Mörder war nicht vom Robbenlager gekommen.
    Wer ihn auch getötet haben mochte. Es klang immer noch unwirklich. Erst gestern hatten sie gemeinsam Dorsche am Ufer ausgenommen und zum Trocknen vorbereitet; Rip und Rek hatten sich vorsichtig an die unwiderstehlichen, noch dampfenden Innereien herangeschlichen, von denen Bale ihnen ab und zu ein paar Brocken zuwarf. Schließlich war die Arbeit erledigt gewesen, der letzte Dorsch hatte am Holzgestell gebaumelt und sie konnten endlich mit ihren Booten aufs Wasser gehen. Asrif hatte Torak sein Boot geliehen,

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