Chroniken der Jägerin 3
ihr, du und deinesgleichen, noch immer menschliche Körper als Wirte. Die einen mehr, die anderen weniger, nehme ich an… ich wüsste zu gerne, wie meine Mutter all das gefunden hat.«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Jack, während er sich mit einer kleinen Schachtel Kerzen abmühte. »Die wenigen Male, die wir uns getroffen haben, haben wir kaum miteinander gesprochen.«
Es tat mir leid, dass ich das Thema angesprochen hatte, und so strich ich ihm über die Hand. »Danke für die Kuchen und für… für alles andere auch. Es ist wunderbar.«
»Du wirst eben geliebt«, erwiderte er einfach schlicht und befasste sich dann damit, die Kerzen auf den Kuchen zu stecken. Er ignorierte mich, wie ich da am Tisch lehnte und Kreise in das verschüttete Mehl zeichnete, während ich plötzlich einen merkwürdigen Druck in meiner Brust verspürte. Er fühlte sich zwar irgendwie warm und gut an, aber gleichzeitig hatte ich den Eindruck, als bräche mir das Herz.
Ich sah mich im Zimmer um. Byron hatte eines der Bücher aufgeschlagen, las und ignorierte dabei gezielt Rohw, der sich ein paar Stapel hinter ihm niedergelassen hatte und ihm über die Schulter spähte, während er sich dabei mit seiner Klaue Schleim aus der Nase pulte. Mary saß ebenfalls auf Büchern, aß frische Marihuanablätter direkt aus einem Plastiktütchen, klopfte mit ihren Füßen auf den Boden und summte vor sich hin. Grant beobachtete sie, schüttelte nur den Kopf und sah dann mich an.
Ich zuckte immer zusammen, wenn sich unsere Blicke trafen. Immer. Mein Mann. Mein guter Mann. Ich war ein Wrack, und außerdem war ich gefährlich. Ich war die letzte Lebende der Bannwächter eines erfolglosen Gefängnisses, aus dem eines
Tages eine dämonische Armee auf diese Welt losbrechen würde; und ich war immer davon ausgegangen, allein zu sein, wenn das geschah. Von den Jungs einmal abgesehen. Ich wollte niemals an einen Ort gebunden, sondern immer unterwegs sein, keine Wurzeln haben … und keine einzige Person auf der ganzen Welt brauchte zu wissen oder würde sich dafür interessieren, ob ich tot oder lebendig war.
So hatte meine Zukunft ausgesehen. Und so wurde es in meiner Familie seit jeher gehalten.
Nur hatte ich aber eine andere Wahl getroffen.
Krallen berührten meine Zehen. Es waren die von Zee, der unter dem Tisch saß. Ich bückte mich und zog ihn hoch, um ihn kurz zu umarmen, aber dann ließ er mich nicht mehr los.
»Böse Träume sind unterwegs«, flüsterte er so leise, dass nur ich es hören konnte. »Kann ihr Getuschel in dem singenden Sturm hören.«
Mich überlief eine Gänsehaut, und gleich darauf meldete sich ein bedrückendes Gefühl in der Magengegend. Ich atmete einmal tief durch, um mich wieder in den Griff zu bekommen. »Und?«
»Nichts wird sein, wie es war.« Über seine Schulter warf Zee einen Blick auf Aaz, der nah bei uns saß, und dann auf Rohw, der aus den Schatten unter dem Tisch hervorkroch, um sich seinen Brüdern anzuschließen. Dek und Mal schlängelten sich aus meinem Haar und wickelten sich um meine Arme. »Wird nie wieder so sein wie jetzt.«
Eine starke Hand berührte meine Schulter: Besorgt sah Grant auf mich herab. Ich schaffte es nicht, so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Was soll’s, ich war eben eine schlechte Lügnerin. Es gab sowieso nichts an einer Person, was Grant nicht hätte durchschauen können, und das, was er sah, konnte er ändern,
mit nichts weiter als seiner Stimme. Das machte ihn beinahe so gefährlich wie mich selbst. Vielleicht sogar noch gefährlicher. Ich konnte zwar töten, aber ich konnte keine Seelen wandeln.
»Später«, sagte ich ihm wortlos. Er nickte. Ich schielte zu Jack hinüber, doch der alte Mann war immer noch mit den Kerzen beschäftigt. Oder er tat nur so … das war schwer zu sagen. Mary hatte aufgehört, ihre Marihuanablätter zu essen, nahm Byron bei der Hand und führte ihn zum Tisch, während sie weiter leise vor sich hin sang.
Ich sah sie alle an. Meine Familie, meine zusammengewürfelte Familie. Niemand von uns war vollkommen menschlich – jedenfalls nicht so menschlich wie der Rest dieser Welt. Aber wir gehörten doch zusammen. Ich hatte ein Zuhause gefunden.
Die Kerzen waren angezündet. Siebenundzwanzig brennende Kerzen, siebenundzwanzig brennende Jahre.
Ich pustete sie mit einem Atemzug aus und wünschte mir was.
Wenige Minuten vor Sonnenaufgang erwachte ich, am Rande eines Albtraums. Zusammengerollt in der Dunkelheit – und in meinem Traum. Aus
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