Du bist zu schnell
Zoran Drvenkar
Du bist zu schnell
Roman
Klett-Cotta Deutscher Taschenbuch Verlag
Ungekürzte Ausgabe September 2005 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München www.dtv.de © 2003 J. G. Cotta sehe Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart Umschlagkonzept: Balk & Brumshagen Umschlaggestaltung: Stephanie Weischer unter Verwendung eines Fotos von © photonica/Photolibrary.com Satz: Fotosatz Reinhard Amann, Aichstetten Gesetzt aus der Joanna 10/12'
Druck und Bindung: Druckerei C. H. Beck, Nördlingen Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany • ISBN 3-423-20833-3
Val erwacht in einer geschlossenen Anstalt. Sie hat Dinge gesehen, die sie nicht hätte sehen dürfen. Eine Welt, verborgen in unserer. Die Welt der Schnellen. Doch die Ärzte glauben an Halluzinationen und stellen sie mit Medikamenten ruhig. Kaum ist Val entlassen, geht sie gemeinsam mit ihrer Freundin Jenni der Sache auf den Grund. Kurz darauf ist Jenni tot, auf dem Badezimmerspiegel steht, mit Blut geschrieben: »Wo bist du gewesen?!« Wer hat Jenni umgebracht? Die Schnellen, wie Val behauptet? Wesen, die töten, sobald Val ihre Welt betreten möchte? Oder gar Val selbst? Immer tiefer verstricken sich Val und ihre Freunde auf der Suche nach den Schnellen in ein Geflecht aus Realitätssplittern und Vals Visionen. Immer unheilvoller werden die Zeichen einer unerklärlichen Bedrohung... - »Eine Warnung: Wer die Tür in die Welt dieses Romans einmal aufgestoßen hat, wird sie erst wieder schließen, wenn er mit dem ungemein blutigen Horror-Trip bis ans Ende gekommen ist.« (Karl-Markus Gauss in der Süddeutschen Zeitung<)
Zoran Drvenkar wurde 1967 in Krizevci/Kroatien geboren und zog als Dreijähriger mit seinen Eltern nach Berlin, wo er auch heute wieder lebt. Seit 1989 arbeitet er als freier Schriftsteller. Für seine Romane, Gedichte, Theaterstücke und Kurzgeschichten wurde er mit zahlreichen Literaturstipendien und Preisen ausgezeichnet.
für
Michael Kurth, der weiß, wo die Türen im Schnee zu finden sind
MAREK
1
Val liegt auf dem Rücksitz. Es ist zwei Uhr morgens, und die Landschaft um uns herum schimmert in einem silbernen Licht. Wenn ich mich vorbeuge, sehe ich den Mond als angeschlagenen Kreis über den Strommasten hängen. Früher wunderte ich mich, daß er immer mitwanderte. Ich war zehn Jahre alt, saß auf dem Rücksitz und fühlte mich beobachtet. Da war dieses weiße Auge am Nachthimmel, mal zu einem Schlitz zusammengekniffen, mal wissend weit offen. An diesem Gefühl hat sich nichts verändert, nur wundere ich mich nicht mehr.
Val schläft, während ich mühsam versuche, wach zu bleiben. Die Lichter der entgegenkommenden Wagen blenden mich, seitdem ich von der Landstraße auf die Autobahn abgebogen bin. Manchmal hebe ich eine Hand und halte sie mir über die Augen, als würde ich in die Sonne schauen.
Ich wechsle die Musik. Der Mond verkriecht sich in den Rückspiegel und wird zu einem leuchtenden Punkt. Seit einer Stunde ist kein Wagen mehr hinter mir aufgetaucht. Diese Autobahn könnte zum Ende der Welt führen, und ich würde mich nicht beschweren.
Ich kurble das Fenster ein Stück herunter und werfe einen Blick in den Rückspiegel, um zu sehen, ob der Windzug Val stört. Sie trägt einen überweiten Pullover. Ich fand in der Eile nichts anderes. Es ist unangenehm, einen Körper zu bewegen, der nicht reagiert. Als könnte man alles mit ihm machen. Keine Schmerzen mehr.
Es sind noch knapp zwei Stunden bis Berlin. Ich hoffe, daß Val bis dahin nicht wach wird. Ich will nicht mit ihr reden, und ich will ihr auch nicht in die Augen sehen. Kaum habe ich das gedacht, spüre ich ihren Blick in meinem Nacken. Ruhig bleiben. Ohne mich umzudrehen, setze ich bei der nächsten Raststätte den Blinker und halte weit hinten bei der Ausfahrt, wo kein anderer Wagen parkt.
Val hat sich in eine Ecke des Rücksitzes gedrückt und die Beine angezogen. Ihr Blick ist panisch. In letzter Zeit braucht sie immer eine Weile, bevor sie mich erkennt. Das erste Mal bekam ich Herzrasen, als sie mich in der Nacht wachrüttelte. Sie war über mir wie eine Furie und schrie: »Was hast du hier verloren?Was tust du in meinem Bett, du Penner? Los, verschwinde!«
— Ich bin’s, sage ich, Marek.
Val kneift die Augen zusammen. Sie will sich erinnern, sie versucht es und beginnt zu weinen.
Meine Eltern schenkten mir zu meinem achtzehnten Geburtstag einen Talisman. Das silberne Medaillon mit
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