Silberstern Sternentaenzers Sohn 03- Reise in die Vergangenheit
Die Suche geht weiter
Fasziniert schaute Annit aus dem Fenster auf die Berggipfel aus Granit, die im Sonnenlicht silbern schimmerten. Wie ein riesengroßer Halbkreis erhob sich vor ihr die wild zerklüftete Gebirgskette der Karpaten mit ihren gezackten Kämmen, bizarren Felsvorsprungen und gewaltigen Gesteinsmassen. Endlose Wälder, in denen Bären, Luchse und Wölfe lebten, bedeckten die Berghänge bis weit nach oben.
Es ist wirklich wunderschön hier, dachte Annit und wurde fast ein bisschen wehmütig. Doch dann spürte sie wieder die Unruhe und Rastlosigkeit der letzten Wochen und Monate, und es war klar, dass sie weiterziehen musste. Immer weiter - bis sie ihr Ziel erreicht hatte. Und sie wusste, dass bis dorthin noch mehr als siebenhundert Kilometer vor ihr lagen.
Annit war mit ihrem Freund Mannito und Viorel Preda auf dem Weg von Rumänien nach Griechenland. Viorel, der dort ein Weingut besaß, hatte sofort zuge stimmt, die beiden mitzunehmen. Nun saßen sie alle in seinem großen, dunkelgrünen Geländewagen mit All radantrieb, und hintendran in dem riesigen Anhänger waren Silberstern, Annits geliebter schwarzer Araber hengst, und Mannitos braune Fuchsstute Ranja unter gebracht.
Annit hätte sich nie träumen lassen, dass sie einmal so weit in der Welt herumkommen würde. Zuerst war sie mit dem berühmten Zirkusdirektor, Fakir und Feuerschlucker Rocco und seiner Zirkustruppe in Warschau gewesen. Dort hatte sie eines Tages Mannito kennengelernt und in ihm bald einen guten Freund gefunden. Gemeinsam mit Mannito war sie dann nach Rumänien aufgebrochen, in das kleine Dörfchen Kischila, in dem seine Eltern und seine kleine Schwester Anamaria lebten.
Und dort hatte sie dem Freund dann auch erzählt, warum sie unbedingt weiter nach Griechenland wollte. Annit war auf der Suche nach ihren leiblichen Eltern, von denen sie nichts weiter hatte als eine Bibel mit einer Widmung. Und diese Bibel stammte aus einem Kloster in Griechenland, das in der Nähe der kleinen Stadt Pirkidika lag.
Für Annit war eine Welt zusammengebrochen, als sie vor nunmehr gut über einem Jahr zufällig diese Bibel im Keller ihrer Adoptiveltern gefunden hatte und auf diese Weise erfuhr, dass sie adoptiert worden war. Von diesem Augenblick an war nichts mehr so gewesen wie vorher. Ihr ganzes Leben war aus den Fugen geraten. Ihr Zuhause, in dem sie sich immer sehr wohl gefühlt hatte, war ihr von einem Tag auf den anderen fremd erschienen. Und auch ihre Adoptiveltern kamen ihr eine Zeit lang wie Fremde vor, in deren Haus sie zufällig geraten war - ohne dass sie wusste, warum. Annit war sehr wütend auf sie gewesen, weil sie ihr die Wahrheit verschwiegen hatten. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie sich wieder mit ihnen ausgesöhnt hatte.
Und jetzt werde ich bald meine richtigen Eltern kennenlernen, dachte Annit aufgeregt. Ich kann es kaum erwarten, bis wir endlich in dem Städtchen Pirkidika ankommen. Obwohl ... ein bisschen Bammel hab ich schon vor der Begegnung mit ihnen. Hoffentlich läuft auch alles gut.
Plötzlich tauchte ein Stück vor ihnen eine riesige Burg auf, die hoch oben auf einem Hügel thronte.
„Das ist übrigens die Törzburg“, erklärte Viorel Preda. „Sie liegt mitten in Siebenbürgen, das von den Rumänen Transsilvanien genannt wird. Das heißt so viel wie Land jenseits der Wälder.“
„Das sagenumwobene Dracula-Schloss“, ergänzte Mannito und zwinkerte Annit zu.
Annit schüttelte sich. „Du meinst den berühmten Vampir? Graf Dracula?“
Mannito lachte und deutete auf die zinnenbesetzten Türme der Burg. „Siehst du nicht die pechschwarzen Fledermäuse, die da oben herumflattern?“ Er wedelte mit seinen Händen in der Luft herum. „Pass auf, gleich taucht Graf Dracula in seinem schwarz-roten Umhang auf, mit seinen langen, spitzen Vampirzähnen.“
Viorel Preda warf Annit einen beruhigenden Blick zu. „Keine Angst. Mannito will dich nur auf den Arm nehmen. Der grausame Herrscher dieser Burg, um den sich so viele Blutsaugergeschichten ranken, ist schon seit ein paar hundert Jahren tot.“
„Dann hat es Graf Dracula also tatsächlich gegeben?“, erkundigte sich Annit.
Viorel Preda nickte. „Ja, er hat im fünfzehnten Jahrhundert gelebt. Eigentlich hieß er Vlad III. Draculea. Draculea bedeutet: kleiner Drache. So wurde er in Anlehnung an den Namen seines Vaters genannt, der dem Drachenorden angehörte.“
„Und der echte Dracula, der
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