Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
erst erschaffen hat«, warf Clary ein. »Das hat mir Hodge zumindest erzählt.«
»Eine hübsche Geschichte.« Jace warf ihr aus zusammengekniffenen, katzenartigen Augen einen Blick zu. »Mein Vater hat an Gott geglaubt. Aber ich glaube nicht an seine Existenz.«
»Kein bisschen?« Sie war sich nicht sicher, warum sie ihn drängte. Bisher hatte sie nie einen Gedanken daran verschwendet, ob sie selbst an Gott und Engel und all das glaubte – und danach gefragt, hätte sie wahrscheinlich mit Nein geantwortet. Aber Jace hatte etwas an sich, dass in ihr den Wunsch weckte, ihm einen Stoß zu geben, seine zynische Schale zu knacken und ihn zu dem Geständnis zu zwingen, dass er an irgendetwas glaubte, dass er irgendetwas fühlte, dass ihm irgendetwas am Herzen lag.
»Man könnte es auch folgendermaßen formulieren«, sagte er und schob zwei Messer in seinen Gürtel. Das schwache Licht, das durch die Buntglasfenster fiel, zeichnete farbige Quadrate auf sein Gesicht. »Mein Vater hat an einen gerechten Gott geglaubt. Deus lo vult!, so lautete sein Motto, ›Gott will es‹. Das war der Wahlspruch der Kreuzfahrer, die hinaus in den Kampf zogen und abgeschlachtet wurden, genau wie mein Vater. Als ich ihn in seinem eigenen Blut liegen sah, wusste ich, dass ich zwar nicht aufgehört hatte, an Gott zu glauben, aber daran, dass es ihn interessierte. Möglicherweise gibt es einen Gott, Clary, und möglicherweise auch nicht. Aber ich denke nicht, dass das eine Rolle spielt. So oder so sind wir auf uns allein gestellt.«
Sie waren die einzigen Fahrgäste in ihrem U-Bahn-Wagen. Während sie in den Norden der Stadt rollten, saß Clary schweigend da und dachte an Simon. Hin und wieder sah Jace zu ihr hinüber, als wollte er etwas sagen, hielt dann aber, ganz untypisch für ihn, den Mund.
Als sie endlich ausstiegen und die Treppe der U-BahnStation hinaufgingen, waren die Straßen wie ausgestorben. Die Luft hing schwer und metallisch über der Stadt und die Bars, Waschsalons und Wechselstuben lagen still hinter ihren Wellblechverschlägen. Nachdem sie fast eine Stunde gesucht hatten, fanden sie das Hotel schließlich in einer Seitenstraße der 116. Straße. Sie waren zweimal daran vorbeigelaufen, weil sie es für eines der vielen leer stehenden Mietshäuser gehalten hatten, bis Clary das Schild entdeckte. Eine Schraube hatte sich gelöst, sodass die Metalltafel halb versteckt hinter einem verkrüppelten Baum hing. HOTEL DUMONT hätte darauf stehen sollen, doch irgendjemand hatte das N übermalt und durch ein R ersetzt.
»Hotel Dumort«, meinte Jace, als Clary ihn darauf aufmerksam machte. »Entzückend.«
Clary hatte zwar nur zwei Jahre Französisch in der Schule gelernt, aber das reichte, um den Witz zu verstehen. »Du mort« , sagte sie. »Des Todes.«
Jace nickte. Er war jetzt vollkommen konzentriert, wie eine Katze, die eine Maus hinters Sofa hat huschen sehen.
»Aber das kann nicht das Hotel sein, das wir suchen«, sagte Clary. »Sämtliche Fenster sind mit Brettern vernagelt und die Tür ist zugemauert … Ach ja, richtig«, fügte sie hinzu, als sie seinen Blick auffing, »Vampire. Aber wie kommen sie in das Gebäude hinein?«
»Sie fliegen«, erklärte Jace und zeigte auf die oberen Geschosse des Bauwerks, das einst ein sehr elegantes Luxushotel gewesen sein musste. Die Natursteinfassade war mit anmutigen Ornamenten und Lilien versehen, die durch den jahrelangen Kontakt mit verschmutzter Luft und saurem Regen dunkel und verwittert wirkten.
»Wir können nicht fliegen«, fühlte Clary sich gezwungen anzumerken.
»Nein«, stimmte Jace ihr zu. »Wir können nicht fliegen. Aber wir können einbrechen und hineinmarschieren.« Er überquerte die Straße und ging auf das Hotel zu.
»Fliegen klingt irgendwie lustiger«, sagte Clary und bemühte sich, mit ihm Schritt zu halten.
»Im Moment klingt alles tausendmal lustiger.« Clary fragte sich, ob er das ernst meinte. Er strahlte eine Erregung aus, eine so erwartungsvolle Vorfreude auf die Jagd, dass er auf sie nicht den Eindruck machte, als wäre er so unzufrieden, wie er behauptete. Er hat mehr Dämonen getötet als jeder andere in seinem Alter. Und man tötete nicht derart viele Dämonen, indem man zögerlich in den Kampf ging.
Eine schwüle Brise war aufgekommen und rüttelte an den Blättern der verkrüppelten Bäume vor dem Hotel, wirbelte den Abfall am Straßenrand auf und trieb ihn über die geborstenen Steinplatten des Bürgersteigs. Die Gegend wirkte seltsam
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