Chroniken der Weltensucher - Die Frau aus den Wolken: eShort zur Reihe "Chroniken der Weltensucher"

und so lange, bis es knackte. Gustafsson verdrehte die Augen und schnappte nach Luft. Blut strömte aus seiner Nase.
    Keuchend nahm sie ihm die Pistole ab, warf sie irgendwo hinter sich ins Gestrüpp und stand auf. Der Schmerz war noch da, aber er schien weiter weg zu sein. Als gehöre er jemand anderes. Humpelnd wankte sie in Richtung des Gewehrs, nahm es hoch und lud die nächste Kugel in den Lauf. Dann richtete sie die Waffe auf den Angreifer. Warum nur ging immer alles so schief? Kaum war sie von den Toten erwacht, hatte sie sich schon wieder einen Feind gemacht. War das ihre Schuld? War das einfach ihr Schicksal?
    Gustafsson hatte ein Taschentuch aus der Hose gezogen und presste es auf seine Nase. Seine Augen waren vor Angst weit aufgerissen. Als er das auf ihn gerichtete Gewehr sah, stöhnte er auf. »Halt, nein, warten Sie. Wir können doch über alles reden.«
    »Ich hab's mit Reden versucht, aber Sie wollten ja nicht hören. Jetzt wird gehandelt.« Sie drückte den Repetierhebel nach unten.
    »Sie wollen mich erschießen? Aber … aber ich wollte Ihnen nie etwas Böses. Ich wollte nur nach Eldorado.«
    »Schlagen Sie sich diesen Ort aus dem Kopf, Gustafsson. Er existiert nur in Ihrem Kopf. Ich habe schon andere Männer gesehen, die des Goldes wegen wahnsinnig geworden sind. Wenn Sie einen Rat von mir hören wollen: Brechen Sie Ihre Zelte hier ab und suchen sich einen anständigen Job. Ich werde jetzt von hier verschwinden.«
    Ein Hoffnungsschimmer leuchtete in Gustafssons Augen auf. »Dann wollen Sie mich nicht erschießen?«
    »Habe ich das je behauptet? Ich wollte nur verhindern, dass Sie sich oder mir Schaden zufügen.«
    »Und wo wollen Sie hin?«
    »Weg von hier. Ich suche jemanden. Einen Mann, der mir viel bedeutet. Wenn Sie mir helfen, das Schiff wieder auf Vordermann zu bringen, könnte ich Sie ein Stück mitnehmen. Wenn Sie unbedingt wollen auch zu dem Ort, von dem ich gekommen bin, auch wenn ich Ihnen dringend davon abraten möchte. Die Leute dort mögen keine Fremden. Aber es ist Ihre Entscheidung, mein Angebot steht. Sind Sie einverstanden?«
    Hinter Gustafssons Stirn schien es zu arbeiten. Nachdem er eine Weile angestrengt nachgedacht hatte, nickte er. »Einverstanden.«
    »Gut, dann fangen Sie am besten gleich damit an. Und nehmen Sie Ihren Hund an die Leine, er ist eine Spur zu wild für meinen Geschmack.« Sie deutete auf das hässliche Gesicht, das hinter dem Busch wütend zu ihnen herüberstarrte.
    »Ich weiß nicht, ob Sie verrückt oder genial sind, aber ein Deal ist ein Deal, ich werde mich daran halten.«
    »Genau wie ich.« Valkrys entspannte sich. Sie war froh, dass es so zu Ende gegangen war, denn nichts hätte sie mehr verabscheut, als wenn frisches Blut an ihren Händen klebte.
    Gustafsson richtete sich mühsam auf. Stöhnend humpelte er zu dem Busch hinüber, nahm den Hund auf den Arm und streichelte ihm über das Fell. »Ob verrückt oder nicht, eines muss ich Ihnen aber noch sagen, Miss Stone. Sie sind die ungewöhnlichste Frau, die mir je begegnet ist.«
    Valkrys setzte sich hin, das Gewehr auf ihrem Schoß gebettet. Ein schwaches Lächeln huschte über ihr Gesicht.
    »Ich weiß.«
    Ende

 
    Thomas Thiemeyer studierte Kunst und Geologie in Köln und arbeitete mehrere Jahre als selbstständiger Illustrator und Künstler. 2004 erschien sein Debütroman Medusa , der erste einer Reihe von sehr erfolgreichen Wissenschaftsthriller für Erwachsene. Alle seiner Romane wurden zu Bestsellern und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Thomas Thiemeyer lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Stuttgart. Chroniken der Weltensucher ist seine erste Reihe für Jugendliche.

 
     
     
     
     
    © 2013 Loewe Verlag GmbH, Bindlach
Covergestaltung: Christian Keller und Franzsika Trotzer unter Verwendung von Bildern von iStockphoto/© Kamisoka/© video-doctor
eBook-Konvertierung: CPI – Clausen & Bosse, Leck
Mobipocket ISBN 978-3-7320-0044-9
     
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