Cinderella undercover
bringen.«
»Wer will ins Showbiz?«, mischte sich ein Typ in unsere Unterhaltung und sah Paule mit großen Augen an.
Kein Wunder! Paule war ja auch wirklich wunderschön: mittelgroß, feingliedrig, von der Natur beschenkt mit violett schimmernden Augen, einem olivfarbenen (pickelfreien!) Teint und kupferglänzendem Haar. Das trug sie immer zu einem Ballerinaknoten zusammengedreht, was ich persönlich ein bisschen langweilig fand. Musste ja nicht jeder sofort erkennen, in was für einem Business man unterwegs war. Ich lief ja schließlich auch nicht mit einem Pinsel im Haar herum…
»Ach Quatsch, ich will nur nach dem Abi an der Stage School studieren, sonst nichts«, gab Paule mal wieder die Bescheidene und ich rollte innerlich mit den Augen.
Meine Freundin war außerordentlich begabt, und wenn es in Hamburg nicht klappen sollte, würde man sie in Amsterdam, New York oder an jedem anderen Ort der Welt mit Kusshand nehmen.
»Also Gesang, Theater und Tanz«, stellte der Typ fest und musterte sie mit kritischem Blick, als sei er ein Casting-Agent und sie Bewerberin bei einer Audition.
Paule nickte stumm und ich starrte Löcher in die Luft.
Wär ja ganz nett gewesen, wenn der Typ sich mal vorgestellt und auch ein kleines bisschen Notiz von mir genommen hätte.
Aber es war halt leider wie immer, wenn ich mit Paule unterwegs war.
Neben ihr löste ich mich irgendwie immer in Luft auf. Nicht, dass ich mich generell klein oder mickerig fühlte, aber die Leute waren von Paules Erscheinung immer so in den Bann gezogen, dass sie mich dabei regelmäßig übersahen.
»Cynthia malt übrigens«, versuchte Paule nun, die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.
Auch dieses Spielchen spielten wir schon seit Jahren.
Meine Mutter hatte immer gesagt, dass wir beide sie an zwei Märchenfiguren erinnern würden, nämlich an Aschenputtel und die Prinzessin auf der Erbse. Keine Frage, wer von uns beiden wer war… »Versteh mich nicht falsch, mein Liebling«, hatte Mama immer hinzugefügt, wenn sie diesen Vergleich machte, über den Paps sich jedes Mal fürchterlich aufregte. »Du bist alles andere als eine aschenputtelige graue Maus. Du bist ein wunderschönes, kluges und sehr, sehr liebenswertes Mädchen. Nur bist du halt manchmal etwas zu schüchtern, um in vollem Glanz zu strahlen. Aber wer genau hinsieht, entdeckt das alles sofort. Und ich bin mir ganz sicher, dass du es eines Tages selbst spüren und mehr aus dir rauskommen wirst – und dann steht dir die ganze Welt offen!«
Mist, ich hätte nicht an Mama denken dürfen.
Sofort überrollte mich wieder eine riesige Welle voll Traurigkeit.
Wann hörte das endlich mal auf?
Zum Glück zog der Typ wieder Leine und ich hatte Paule einen Moment für mich allein. »Alles klar bei dir?«, wollte sie wissen und legte den Arm um mich. Pauline war einer der sensibelsten und einfühlsamsten Menschen, die ich kannte. Von daher stimmte das Bild mit der Prinzessin auf der Erbse . Paule erspürte sofort jede Schwingung, jede Stimmung, jede Irritation, die in der Luft lag, ohne aber so arrogant zu sein wie das Mädchen aus dem Märchen.
»Ja, alles klar. Ich musste nur gerade an Mama denken, weiß auch nicht, warum.«
»Was hältst du davon, wenn wir beide jetzt das Buffet stürmen und dem bösen, bösen Weißmehl den Garaus machen«, schlug sie vor und zog mich in Richtung Grill. Dort war Enrico gerade dabei, eine Ladung Burritos auf eine Platte zu legen. »Und, amüsiert ihr euch?«, wollte er wissen, richtete die Frage aber eher an mich als an Paule. Sein Blick aus schokobraunen Augen ging mir durch Mark und Bein und ich hatte Mühe, meinen Teller gerade zu halten. »Ja klar, is sssuper hier…«, nuschelte ich und starrte demonstrativ an Enrico vorbei in den Garten.
Ich durfte diesen Typen keinesfalls gut finden. Schließlich war Paule in ihn verknallt und er damit für mich tabu. »Freut mich«, antwortete Enrico lächelnd und entblößte dabei eine Reihe strahlend weiße Zähne. »Ich hoffe, ihr beide habt später Lust, mit mir zu tanzen.« Paule und ich nickten synchron und wandten uns dann dem Buffet zu, das aus einem mit rotem Wachstuch bedeckten Tapeziertisch bestand, um unseren Burrito zu füllen.
Ich nahm mir haufenweise geriebenen Käse und scharfe Jalapeños, was ich vermutlich in ein paar Minuten furchtbar bereuen würde, wenn ich in Flammen stand.
»Was ist denn jetzt eigentlich mit Enrico und dir?«, fragte ich, nachdem ich ein Glas Wasser heruntergestürzt hatte und
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