Cinderella undercover
schmeißen als du und zur Not gibt es ja auch noch den Lieferservice«, versuchte ich, seine Bedenken zu entkräften.
»Darüber mache ich mir auch keine Sorgen«, entgegnete Paps und seufzte tief. »Ich dachte eher daran, dass du dich vielleicht einsam fühlen wirst oder dass irgendetwas Unvorhergesehenes passiert und ich zu weit weg bin, um dir zu helfen.«
Ich überlegte einen Moment, bevor ich ihm antwortete.
Natürlich war ich mit sechzehn kein kleines Kind mehr, das eine Super-Nanny brauchte – aber ich war auch noch nie eine ganze Woche oder gar länger alleine gewesen.
Andererseits: Was sollte schon groß passieren?
Am besten ich betrachtete das Ganze einfach als ein neues Abenteuer, ein weiteres Kapitel im Leben der Cynthia Aschenbrenner, das sowieso nie wirklich nach Plan lief.
»Paule findet es bestimmt super, wenn sie ein paar Tage hier wohnen darf«, behauptete ich und freute mich insgeheim über diese geniale Idee.
Paule, eine sturmfreie Bude und ich – wenn das nicht perfekt war! »Und ihre Mutter würde sich bestimmt um mich kümmern, falls es wider Erwarten einen… Notfall geben sollte. Außerdem habe ich Freunde, einen Klassenlehrer und eine Oma.«
»Die aber die meiste Zeit auf irgendwelchen Kreuzfahrtschiffen über die Weltmeere schippert«, antwortete Paps missmutig.
Aurelia Gräfin zu Waldenburg hatte in der Tat ihren ganz eigenen Kopf und liebte die Unabhängigkeit, deshalb brauchte sie das Meer, wie andere Menschen Luft zum Atmen. Zum Glück liebte sie mich aber mindestens genauso sehr – und ich sie natürlich auch. Würde es sie nicht geben, hätte ich die letzten Monate kaum überstanden.
In dem Moment, als der Bote von Da Lorenzo an der Tür klingelte, läutete auch das Telefon. Während Paps bezahlte, sprang der Anrufbeantworter an und eine fremde, weibliche Stimme ertönte: »Stephanie Wolters hier. Ich hoffe, ich störe nicht beim Abendessen, aber ich wollte fragen, ob…« Weiter kam die Anruferin nicht, denn Paps sprintete wie von der Tarantel gestochen zum Telefon und riss den Hörer dermaßen schwungvoll von der Ladestation, dass diese mit einem lauten Krachen auf den Holzboden knallte; sein zweiter Haushaltsunfall innerhalb einer Stunde.
Obwohl ich natürlich extrem neugierig war, trottete ich brav mit den Pizzen an ihm vorbei in die Küche, befreite sie aus ihren Pappkartons und legte sie auf flache Teller. Zusammen mit dem Salat (Hoffentlich war der wenigstens gelungen!), einem Bier für Paps und einer Cranberryschorle für mich konnte das hier theoretisch doch noch ein ganz gemütlicher Abend werden.
Leider wurde er es aber doch nicht, denn Paps war nach dem Telefonat wie ausgewechselt: völlig überdreht, unkonzentriert und albern. So kannte ich ihn überhaupt nicht.
Sein Hals war von hektischen roten Flecken bedeckt, die er nur bekam, wenn er sich entweder furchtbar über etwas aufregte oder sich freute.
»Was wollte diese Frau denn?«, fragte ich, nachdem die halbe Con spinaci in meinem Bauch gelandet war.
Paps machte ein Gesicht, als wolle er fragen: Welche Frau?, doch zum Glück wurde ihm noch rechtzeitig klar, dass er mich nicht für blöd verkaufen konnte. »Ich habe Stephanie letzte Woche auf einer Schmuckmesse kennengelernt«, antwortete er und vermied es, mich anzusehen. Seine Pizza lag noch fast unberührt auf dem Teller. Wenn er noch lange wartete, würde ich sie mir einfach schnappen.
»Und weiter?«, fragte ich, weil mir immer noch nicht einleuchtete, weshalb Paps auf einmal so aus dem Häuschen war. Eben noch ein Bündel Elend und nun der Mann mit dem tomatenroten Hals.
»Nun… ich finde sie sehr… sympathisch… und…«
»Du wirst dich mit ihr treffen?«
Kaum hatte ich meine Vermutung laut ausgesprochen, überfiel mich auch schon ein ganz komisches Gefühl. Irgendetwas zwischen Wut, Trauer, Eifersucht und Verachtung, vermischt mit etwas Hoffnung, Freude und Angst. Im Grunde die gesamte Gefühlspalette auf einen Schlag, echt anstrengend.
Dann wurde mir übel.
»Hast du dich in diese Frau… verliebt?«, presste ich mühsam heraus, obwohl ich die Antwort eigentlich gar nicht hören wollte.
Ich weiß nicht, warum, aber Stephanie Wolters war ab sofort diese Frau für mich und würde es auch immer bleiben, egal, was passierte.
»Vielleicht ist sie ja ganz nett«, versuchte Paule, mich zu beschwichtigen, als ich sie nach dem Essen anrief. »Oder es wird erst gar nichts aus der Sache. Die beiden haben sich bislang nur einmal
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