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Clarissa

Clarissa

Titel: Clarissa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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einem Baum zu sitzen und ihre Musik zu spielen; und Gott gab keinem anderen Vollmacht, einem anderen so eine Sache wegzunehmen.
    Noch eine Stunde hielt ihr Zorn sie warm. Sie wußte sehr wohl, daß ihr Zorn sich teilweise von den Ereignissen des vergangenen Sommers nährte. Der Priester hatte erreicht, daß der Knabenchor und Clarissa in der Privatkapelle des Grafen — Pagnells Vater — singen durften. Wochenlang hatten sie für diesen Auftritt geprobt, und Clarissa hatte bis zur Erschöpfung daran gearbeitet, ihre Komposition bis zur Perfektion einzuüben. Als sie schließlich ihr Werk vortragen durfte, sagte der Graf, ein fetter, von der Gicht geplagter Mann, in der Mitte der Aufführung mit lauter Stimme, er möge seine Frauen nicht so mager, und der Priester solle sie wieder hierherbringen, wenn sie etwas mehr Fleisch auf den Rippen habe und ihn noch auf andere Weise unterhalten könne, nicht nur mit Chor und Gesang. Und ehe die Aufführung zu Ende war, hatte er die Kapelle verlassen.
    Als die Sonne im Zenit stand, stahl sich Clarissa zum Waldrand zurück und verbrachte lange Zeit damit, das offene Land zu beobachten, ob sie einen Menschen sah, der zum edlen Stand gehören mußte. Vorsichtig wagte sie sich dann bis zu ihrem Apfelbaum vor — nicht mehr länger ihr Lieblingsbaum, da sich zu viele häßliche Erinnerungen mit ihm verbanden.
    Dort erlitt Clarissa den größten Schock des Tages, denn unter dem Baum lagen die Splitter und geborstenen Saiten ihrer Zither, offensichtlich von Pferdehufen zertrampelt. Heiße Zornestränen liefen ihr über die Wangen, während sich Haß, Ohnmacht und Hilflosigkeit unter ihren Zorn mischten. Wie konnten sie nur, wetterte sie laut, während sie sich hinkniete und die Überreste einsammelte. Als ihr Schoß mit den zersplitterten Stücken gefüllt war, sah sie die Sinnlosigkeit ihres Tuns ein und warf die Stücke gegen den Baum.
    Mit trockenen Augen und geraden Schultern suchte sie wieder den Schutz ihrer Stadtmauer, ihren Zorn hinunterschluckend, der jedoch wie ein Vulkan jederzeit wieder ausbrechen konnte.

Kapitel 2
    Die Halle des Herrenhauses war mit buntgewirkten Wandteppichen geschmückt, die Zwischenräume mit Waffen aller Art gefüllt. Die schweren, massiven Möbel zeigten böse Narben, die von Axthieben und Schwertklingen herrührten. An dem langen Tisch saßen drei junge Männer, ihre Augen dunkel umringt von zuviel Wein und zu wenig Schlaf.
    »Sie hat dich zum Narren gehalten«, sagte einer der drei lachend, während er einen Becher mit Wein füllte und einiges davon auf seine schmutzige Manschette vergoß. »Sie trat dich und verschwand dann wie eine Hexe, die sie zweifellos ist. Du hast sie ja singen gehört. Das war keine menschliche Stimme, sondern nur darauf gerichtet, dich zu betören. Und als du sie erhörtest, da… « Er schlug mit der Faust in die geöffnete andere Hand und lachte wiederum laut.
    Pagnell setzte den Fuß gegen den Stuhl des Freundes und gab dem Möbelstück einen Tritt, daß es mit dem Mann, der darauf saß, umkippte. »Sie ist ein Mensch«, knurrte er, »und meine Zeit nicht wert. «
    »Hübsche Augen«, bemerkte ein anderer. »Und diese Stimme. Glaubst du, sie würde so hoch singen, daß sich die Haare auf deinen Beinen kräuseln, wenn du ihn ihr hineinsteckst? «
    Der Mann, der vom Stuhl gekippt war, lachte: »Romantisch! Ich würde sie dazu bringen, daß sie mir ein Lied singt, wie sie es am liebsten von mir hätte. «
    »Still, ihr beiden! « fauchte Pagnell und leerte seinen Becher. »Ich sag’ euch, sie ist ein Mensch — mehr nicht. «
    Die anderen beiden sagten nichts und blieben eine Weile schweigend sitzen, bis eine Magd durch die Halle kam und Pagnell sie am Arm festhielt. »In der kleinen Stadt ist ein Mädchen, das singen kann. Wie heißt es? «
    Die Magd versuchte sich aus seinem schmerzhaften Griff zu befreien. »Das ist Clarissa«, flüsterte sie.
    »Stell dich nicht so an, sonst breche ich dir den Arm«, knurrte Pagnell. »Nun sag mir ganz genau, wo diese Clarissa in dieser verflixten kleinen Stadt, die ihr euch gebaut habt, wohnt! «
    Eine Stunde darauf, befanden sich Pagnell und seine drei Zechkumpane in stockdunkler Nacht vor der umfriedeten Ortschaft Moreton und warfen Stahlhaken zur Mauerkrone hinauf. Nach drei Versuchen hingen zwei von den Haken oben fest, und die daran befestigten Taue entrollten sich. Mit einiger Mühe, die sie im nüchternen Zustand nicht gehabt hätten, erkletterten sie die Mauerbrüstung,

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