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Die Stimmen von Marrakesch

Die Stimmen von Marrakesch

Titel: Die Stimmen von Marrakesch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Canetti
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    Über dieses Buch
     
    Der Zufall führte Canetti 1954 als Begleiter eines Filmteams in ein bestürzend fremdartiges Land - nach Marrakesch. Erst aus der Distanz, nach seiner Rückkehr nach London, skizzierte er die Eindrücke dieser Reise. Die Aufzeichnungen sind kein Reisebericht im klassischen Sinn. Es sind Miniaturen von atmosphärischen Erscheinungen einer orientalischen Großstadt. Canetti streift durch die arabischen und jüdischen Viertel der Stadt, atmet die seltsamen Gerüche, beobachtet die feilschenden Händler in den Suks und die Verkäuferinnen duftenden Brotes, vernimmt die Stimmen der Blinden, Bettler und zungenlosen Krüppel in den Slums, spürt die hilflose Kreatürlichkeit und Nähe des Todes vor den Kamelen mit ihren Schlächtern, staunt über die vielen Gesichter armer Juden in der Mellah, wird Zeuge intimster menschlicher Verhältnisse, sieht Bosheit, Armut und Prostitution und spürt überall nur die eine Sehnsucht, die Sehnsucht nach einem besseren Leben. In diesen Prosastücken von verhaltener Subjektivität lauscht der präzise Beobachter auf Stimmen, die hinter der Realität die letzten Dinge offenbaren.
    »›Die Stimmen von Marrakesch‹ ist jenes Buch, durch das Elias Canetti dem Leser zu so etwas wie einem vertrauen Freund wird, und in dem aus allen Schilderungen von Elend, orientalischer Großstadtmisere am Rande menschlichen Daseins, eine Art Freude an allem Menschlichen und Brüderlichkeit gegenüber dem Fremdesten strahlt.« François Bondy
     
    Der Autor
     
    Elias Canetti wurde am 25. Juli 1905 in Rustschuk/ Bulgarien geboren. Übersiedlung der Familie nach Wien, Abitur in Frankfurt, Studium der Naturwissenschaften in Wien, Promotion zum Dr. phil. 1938 Emigration nach London. 1972 wurde Elias Canetti mit dem Georg-Büchner-Preis, 1975 mit dem Nelly-Sachs-Preis, 1977 mit dem Gottfried-Keller-Preis und 1981 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Im Fischer Taschenbuch Verlag erschienen neben dem berühmten frühen Roman ›Die Blendung‹ (Bd. 696) noch folgende Werke: ›Die Provinz des Menschen‹ (Bd. 1677), ›Die gerettete Zunge‹ (Bd. 2083), ›Masse und Macht‹ (Bd. 6544), ›Dramen. Hochzeit/Komödie der Eitelkeit/Die Befristeten‹ (Bd. 7027) und die Essaysammlung ›Das Gewissen der Worte‹ (Bd. 5058).

 
    ELIAS CANETTI
    DIE STIMMEN VON MARRAKESCH
     
    AUFZEICHNUNGEN NACH EINER REISE
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    FISCHER TASCHENBUCH VERLAG

 
    Ungekürzte Ausgabe
    Fischer Taschenbuch Verlag
    1.-I5. Tausend Juli 1980
    16.-22. Tausend November 1980
    23.-35.Tausend Mai 1981
    30.-45. Tausend Oktober 1981
    40.-55. Tausend November 1981
    56.-70. Tausend März 1982
    Umschlagentwurf: Jan Buchholz / Reni Hinsch
    Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, Frankfurt am Main
    Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung des Carl Hanser Verlages, München und Wien
    © 1967 Elias Canetti, London
    © 1978 Carl Hanser Verlag, München und Wien
    Gesamtherstellung: Hanseatische Druckanstalt GmbH, Hamburg
    Printed in Germany
    58O-ISBN-3-596-22103-X
    scan by párduc
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2002

 
    Für Veza Canetti

 

BEGEGNUNGEN MIT KAMELEN
    Dreimal kam ich mit Kamelen in Berührung und es endete jedesmal auf tragische Weise.
    »Ich muß dir den Kamelmarkt zeigen«, sagte mein Freund, bald nach meiner Ankunft in Marrakesch. »Er findet jeden Donnerstag am Vormittag statt, vor der Mauer beim BabELKhemis. Es ist ziemlich weit, auf der anderen Seite der Stadtmauer, ich fahre dich am besten hinaus.«
    Der Donnerstag kam und wir fuhren hin. Es war schon spät; als wir am großen, freien Platz vor der Stadtmauer anlangten, war es Mittag geworden. Der Platz war beinahe leer. Am anderen Ende, einige zweihundert Meter von uns entfernt, stand eine Gruppe von Menschen; aber wir sahen keine Kamele. Die kleinen Tiere, mit denen die Leute sich abgaben, waren Esel, und von Eseln war die Stadt ohnehin voll; sie trugen alle Lasten und wurden so schlecht behandelt, daß man es schon gar nicht mehr sehen mochte. »Wir sind zu spät gekommen«, sagte mein Freund. »Der Kamelmarkt ist vorbei.« Er fuhr in die Mitte des Platzes, um mich davon zu überzeugen, daß wirklich nichts mehr zu sehen war.
    Aber bevor er hielt, sahen wir eine Schar von Menschen auseinanderstieben. In ihrer Mitte stand ein Kamel auf drei Beinen, das vierte war ihm hinaufgebunden worden. Es hatte einen roten Maulkorb an, ein Strick war ihm durch die Nüstern gezogen worden, und ein Mann,

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