Coconut Caye - Insel der Lust
wiederum würde sie brauchen, wenn sie Ray verführen wollte. Insofern hatte der Verzicht auf eine schöne Segeltour doch noch sein Gutes.
Sie blickte wieder hinunter zum Strand, wo die drei Männer nun unter den Kokospalmen Frisbee spielten. Fasziniert schaute sie ihnen zu. Natürlich hätte sie ein Dutzend andere Dinge tun können, und Strandfrisbee war gewiss kein Spiel, das sie begeisterte. Aber im Moment war sie außerstande, ihre Augen von Ray abzuwenden.
Er sprang weit vor, um einen Wurf von Anton zu fangen. Dabei streckte er seinen durchtrainierten Körper, sodass Sydney seinen muskulösen Brustkorb bewundern konnte. Selbst auf diese Entfernung war die längliche Narbe deutlich zu sehen, die er sich zugezogen hatte, als er in der Karibik nach seinem seit drei Jahren vermissten Bruder suchte. Sydney fand, diese Narbe mit ihrer dazugehörigen Geschichte steigerte seine Attraktivität noch. Genüsslich beobachtete sie, wie die Frisbeescheibe durch Rays gespreizte Finger glitt und auf den Sand schlug.
Leugnen wäre sinnlos gewesen. Heiße und kalte Schauer liefen ihr über den Rücken, so heiß war sie auf ihn. Mit Ray würde sie gern Sachen ausprobieren, die sie sich mit anderen Männern nie trauen würde und die bisher nur in ihrer Fantasie vorkamen – dafür dort umso lebhafter.
Seit er im Herbst letzten Jahres nach Houston zurückgekehrt war, hatte Ray keinen Zweifel daran gelassen, dass er sich ebenso magisch von ihr angezogen fühlte wie sie sich von ihm. Anfangs hatte Sydney darüber gelacht, weil ihr erstes und einziges gemeinsames Erlebnis so lange her war. Damals waren sie beide sehr jung und sehr unschuldig gewesen.
In diesem Moment hörte sie Schritte. Poe kam zu ihr auf die Veranda. Sie trug schwarze Saronghosen und einen passenden Bikini, dessen Oberteil im Nacken gebunden war. In dieser Kombination, die nur das Allernötigste bedeckte, kamen ihre perfekten Kurven und die porzellanene Haut sehr gut zur Geltung. Aber irgendetwas stimmte nicht, denn sie wirkte regelrecht angewidert.
“Geht es dir gut?”, fragte Sydney vorsichtig.
“Wie meinst du das? Gesundheitlich, finanziell oder bezogen auf mein gegenwärtiges soziales Umfeld?”, konterte Poe mit einer Gegenfrage, wobei sie sich die Hände rieb, als wäre sie mit etwas Schmutzigem in Berührung gekommen.
Sydney kannte ihre theatralische Ader bereits und fand sie bisweilen recht witzig. “Letzteres natürlich.”
Poe zog eine Grimasse. Sie war halb Amerikanerin, halb Asiatin, hatte wunderschöne, fast schwarze Augen, die leicht mandelförmig waren, üppige dunkle Wimpern und seidig schimmerndes langes Haar.
“Zugegeben, ich hatte mich wirklich auf diesen Segeltörn gefreut, und deshalb sollte ich es vielleicht nicht so direkt sagen, aber”, sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und hob das Kinn, “ich bin erleichtert, dass wir jetzt hier gestrandet sind. Mit all dem Ballast an Bord wären wir sowieso irgendwann gekentert und hätten allesamt ein jähes Ende auf dem Meeresgrund gefunden.”
“Ballast?”, fragte Sydney irritiert.
Poe zog die Augenbrauen hoch, als könnte sie nicht begreifen, was Sydney daran nicht verstand. “Ballast, ja! Du hast doch nicht allen Ernstes angenommen, dass die Achtzehnmeteryacht deines Vaters den ganzen Beziehungsmüll aushalten würde, den Lauren und Anton mit sich herumschleppen, oder? Mir kommen sogar Zweifel, ob diese Insel überhaupt die nötige Tragkraft aufbringt.”
Sydney fühlte sich sofort schuldig. Schließlich hatte sie dafür gesorgt, dass Lauren und Anton bei dieser Reise auf engstem Raum zusammen waren. Noch bevor die Segel vollständig gesetzt gewesen waren, hatten die beiden schon begonnen, sich verbal aufs Schärfste zu attackieren. Andererseits hatte Sydney nicht ahnen können, dass es so schlimm würde.
Aber sie hatte, wenn sie ehrlich war, genau gewusst, dass Anton und Poe in letzter Zeit öfter zusammen ausgegangen waren. Diese Tatsache hätte sie berücksichtigen müssen, als sie beide Frauen einlud. Wie konnte sie so naiv sein, zu glauben, dass die lockere Freundschaft zwischen Anton und Poe auch in Laurens Augen locker und harmlos war?
“Wo ist Lauren überhaupt?”, fragte sie.
Poe nickte kaum merklich mit dem Kopf Richtung Tür. “Sie ist mit Kinsey und Jess in der Küche. Wenn ich die drei richtig verstanden habe, wollen sie das Abendessen zubereiten.”
“Super. Ich bin kurz vorm Verhungern.”
Poe schien unentschlossen, ob sie ihrem Hunger so weit
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