Code Freebird
dem Jungen weiter?«
Cromley lächelte. »Zähe, kleine Bastarde, diese Hadjis. Der Blade Runner saß die ganze Nacht an seinem Bett. Manche glaubten, ihn beten zu hören. Erst später habe ich erfahren, dass er zu Hause noch einen Bruder hat, der mächtig stolz auf den Großen ist. Ich vermute, deswegen hat er sich geschämt.
Im Morgengrauen war er dann endlich tot. Der Blade Runner hat ihn ein paar Meter weiter im Sand verscharrt.
Wir rückten weiter auf Bagdad vor. Blade war ein anderer geworden. Er hielt seine große Klappe bis zum Schluss. Es gab dann noch eine Situation, in der er uns allen das Leben gerettet hat. Eiskalt war er geworden, ein echter Killer.«
»Haben Sie noch Kontakt zu ihm?«
Cromley verneinte. Nach der Einnahme Bagdads sahen sie sich zwar noch ein paarmal, doch danach war er verschwunden.
»Ist er desertiert?«, fragte Levy.
Cromley zuckte die Achseln. »Vielleicht. Vielleicht hat er sich auch umgebracht, oder jemand anderes hat es ihm abgenommen. Er war am Ende. So wie wir alle. Diese drei Wochen haben uns alle irgendwie getötet.«
»Major Tomlin sagte mir, dass auch Sie sich umbringen wollten. Wieso?«
»Mein Job ist zu Ende. Ich tauge nicht für den Polizeidienst in Bagdad. Ich tauge für gar nichts mehr. Meine Lebensuhr ist abgelaufen, so wie in dem Film. Zeit zu sterben.«
»Dann sehen Sie sich als einer dieser Replikanten, die von Menschenhand geschaffen wurden?«
»Ich hätte Blade gar nicht so viel Weitblick zugetraut. Ja, im Nachhinein sehe ich es so. Wir wurden für diesen Krieg geschaffen. Unser Job war es zu töten. Jetzt ist der Krieg vorbei, und sie brauchen uns nicht mehr. Es kommen junge, noch unverbrauchte GIs nach uns. Kein Problem, in meinem Land herrscht die Angst. Die Army ist eine Zuflucht. Und jeder bekommt eine Waffe. Mit ihr kannst du deine Angst und deine Wut bekämpfen. Bis sie kapieren, was vor sich geht, ist es zu spät.«
Daraufhin schwieg er, senkte den Kopf, als wäre er eingeschlafen. Doch dann griff er in seine Brusttasche und förderte ein abgegriffenes Foto zutage. Er zeigte es Levy. Vor einem Humvee hatte sich die fünfköpfige Besatzung aufgebaut. Alle hielten stolz ihre Waffen in der Hand. Unter ihnen erkannte Levy Cromley. Ein junger, gutaussehender Bursche. Er stellte sich ihn braungebrannt auf einem Surfbrett vor, wie er auf den Wellen ritt.
»Das ist Sergeant Boyle«, sagte Cromley und zeigte auf den Mann ganz links, »er war unser Truppführer. Einer der wenigen, denen wir wirklich trauen konnten. Daneben bin ich, das hier ist Bad to the Bone, neben ihm der Predator und, am Boden liegend, der Blade Runner. Wie durch ein Wunder haben wir die drei Wochen überlebt.
Den Predator hat später eine Autobombe erwischt, als er glaubte, den Hadjis Demokratie beibringen zu müssen. Und Sergeant Boyle ist während seines Heimaturlaubs durchgeknallt. Die gesamte Familie, seine Frau und die drei Kinder, musste dran glauben.«
»Wie kam es dazu?«
Cromley zuckte mit den Schultern. »Alles, was ich gehört habe, war, dass es zum Streit gekommen sein soll. Sie hat ihm irgendetwas Belangloses vorgeworfen … Er streckte sie mit seiner Dienstwaffe nieder. Ein Schuss pro Kopf und bei der Frau einen Death-Check. Sie hat noch zwei in die Brust bekommen. Zum Schluss hat er sich selbst das Hirn rausgeblasen.«
»Kann ich mir das Foto ausleihen?«, fragte Levy. »Ich würde mir gern eine Kopie davon machen.«
Cromley hatte nichts dagegen. Er erhob sich. Für ihn war die Unterhaltung beendet.
»Kann mir dieser Bad to the Bone vielleicht noch etwas zum Blade Runner sagen?«
»Möglich«, antwortete Cromley im Weggehen. »Aber dazu müssten Sie ihn erst mal finden. Entweder steckt er bereits im Iran und bereitet den nächsten Schlag gegen die Mullahs vor, oder er ballert sich hier durch die Welt.«
»Wie heißt er mit bürgerlichem Namen?«
»Caine Warshovsky. Er hat Karriere gemacht. Ist jetzt Offizier.«
Levy prägte sich den Namen ein. Dann rief er Cromley nach: »Wieso werden Sie eigentlich The Cleaner genannt?«
Cromley drehte sich um. Er sagte nur zwei Worte: »Midtown Massacre.«
20
First Lieutenant Candice Brendall spürte den Schlag gegen ihre Schläfe nicht, als sie die Toilettentür öffnete.
Als sie wieder erwachte, beugte sich eine Angestellte der Buchhandlung über sie und fragte, ob sie einen Arzt verständigen solle. Doch Candice war Schläge gewohnt, in allen Variationen – harte, spitze, flache, dumpfe und gemeine. Ein Schlag
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