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Titan 7

Titan 7

Titel: Titan 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne SF Classics
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THEODORE STURGEON
Der kleine Gott
    Dies ist die Geschichte von einem Mann, der zuviel Macht besaß; und die von einem anderen Mann, der zu gierig war; aber grämen Sie sich nicht, ich komme Ihnen nicht politisch. Der Mann, der die Macht besaß, hieß James Kidder, und der andere war sein Bankier.
    Kidder war schon etwas Einmaliges. Er war Wissenschaftler und lebte, völlig von der Außenwelt zurückgezogen, auf einer kleinen Insel vor der neuseeländischen Küste. Sie täuschen sich, wenn Sie meinen, daß er der Prototyp des verrückten Wissenschaftlers war, dessen verhutzelte Zwergengestalt die Trivialliteratur bevölkert. Er war auch nicht auf persönlichen Profit aus. Auch war er kein Größenwahnsinniger mit russischem Namen und ohne Skrupel. Er war nicht hinterhältig, und er war nicht einmal als besonders subversiv zu bezeichnen. Er trug kurzgeschnittene Haare, er hielt seine Fingernägel stets sauber, und er lebte und dachte wie ein vernünftiges menschliches Wesen. Er hatte das, was man ein ›Babyface‹ nennt; er hatte einen Hang zum Eremiten; er war klein, dick und – er war ein Genie. Sein Fach war die Biochemie, und man nannte ihn grundsätzlich Mister Kidder. Nicht ›Doktor‹, auch nicht ›Professor‹. Nein, ganz einfach Mister Kidder.
    Er war zeit seines Lebens ein komischer Kauz gewesen. Er hatte nie eine College- oder Universitätsausbildung abgeschlossen. Er fand, daß solche Institutionen für seinen Geschmack zu langsam vorgingen. Außerdem hielt er ihr Herangehen an die Ausbildungsziele für zu starr. Er konnte sich nicht daran gewöhnen, daß seine Professoren vielleicht nur vage wußten, wovon sie redeten. Ähnliches traf auch für die Lehrbücher zu. Er hatte die Angewohnheit, immer Fragen zu stellen, und es scherte ihn wenig, wenn sie peinlich waren. Er hielt Gregor Mendel für einen stümperhaften Lügenbold, Darwin für einen amüsanten Philosophen und Luther Burbank für einen Sensationshascher. Er öffnete nie den Mund, ohne seinem Opfer ein Gefühl der Atemlosigkeit zu verschaffen. Wenn er sich mit jemandem unterhielt, der über Wissen verfügte, dann bohrte er solange nach, bis er es auch hatte, und ließ anschließend sein Opfer atemlos zurück. Sprach er mit jemandem, über dessen Wissen er bereits verfügte, fragte er bloß ständig: »Woher wissen Sie das?« Sein größtes Vergnügen bestand darin, einen fanatischen Eugeniker im Gespräch nach allen Regeln der Kunst auseinanderzunehmen. Das hatte natürlich auf die Dauer zur Folge, daß die Leute sich von ihm zurückzogen. Natürlich wurde er auch nie zum Tee eingeladen. Er war zwar höflich, aber alles andere als ein Diplomat.
    Er besaß ein wenig Geld, und damit pachtete er die Insel und errichtete ein Laboratorium. Er war, wie ich oben schon erwähnte, Biochemiker. Aber ein Mensch wie er konnte sich natürlich nicht damit zufriedengeben, seine Nase nur in sein eigenes Fachgebiet zu stecken. So war es nicht verwunderlich, daß er einen intellektuellen Ausflug von solchem Ausmaß machte, daß es ihm gelang, Vitamin B1 gleich tonnenweise gewinnbringend zu kristallisieren – für den Fall, daß jemand es tonnenweise haben wollte. Er bekam eine Menge Geld dafür. Er kaufte kurzerhand seine Insel und stellte achthundert Mitarbeiter ein, die auf anderthalb Morgen seines Grundbesitzes seine Labor- und Baueinrichtungen vergrößern sollten. Als nächstes experimentierte er mit der Sisalfaser herum. Er fand eine Methode, wie man sie verschmelzen konnte, und verhalf der Verpackungsindustrie zu einem gewaltigen Boom, indem er aus dem Zeug eine praktisch unzerreißbare Kordel herstellte.
    Sie erinnern sich doch bestimmt noch an die Werbedemonstration, die er damals an den Niagara-Fällen durchführte, an dieses atemberaubende Ereignis, als er ein Seil aus dieser neuen Faser von einem Ufer zum andern spannen ließ, quer über die tosende Gischt hinweg, und genau in der Mitte einen Zehntonnen-LKW aufhängen ließ, dessen ganzes Gewicht an einer Halterung hing, die mit rasiermesserscharf geschliffenen Kanten auf das Seil drückte. Das ist der Grund dafür, daß man heutzutage Schiffe mit Seilen vertäut, die nicht dicker sind als ein Bleistift und aussehen wie eine Hievschnur und die man wie einen Gartenschlauch auf eine kleine Trommel wickeln kann. Kidder verdiente sich auch damit ein kleines Trinkgeld. Mit einem Teil dieses Geldes erwarb er ein Zyklotron.
    Danach interessierte er sich nicht mehr für Geld. Geld – das waren große

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