Code Freebird
US-Streitkräfte verabredet.
Warshovsky war sich nicht sicher, so sagte er am Telefon, inwieweit er der Bitte Nimrods entsprechen könne, da er seit der Operation Iraqi Freedom keinen Kontakt mehr zu seinen ehemaligen Kameraden hatte.
»Er war nicht leicht zu überzeugen«, sagte Nimrod, der am Steuer saß. Neben ihm Levy, der während der Fahrt in der Akte Warshovskys las, die Nimrod noch am Morgen zusammengestellt hatte. »Natürlich weiß er, wenn der CID mit ihm sprechen will, dass er in die Nähe von Ermittlungen gerät, die seiner weiteren Karriere schaden können. Und wie Sie aus seinen Beurteilungen ersehen können, ist er einen beeindruckenden Weg gegangen.«
»Er gehört zur zweiten Generation einer polnischen Einwandererfamilie«, las Levy vor. »Den High-School-Abschluss hat er mit Ach und Krach geschafft, danach folgten kurze, häufig wechselnde Jobs als Hilfsarbeiter in der Industrie, mehrere Anzeigen wegen Körperverletzung mit einer Verurteilung, Arbeitslosigkeit, schließlich der Eintritt in die Army mit der Ausbildung zum Fernspäher in einer Einheit der Marines. Erster Kampfeinsatz Iraqi Freedom, März bis April 2003, bei dem er für seine Leistungen mit der Iraq Campaign Medal und der Marine Corps Expeditionary Medal ausgezeichnet wurde.
Dann scheint ihn der Ehrgeiz gepackt zu haben, und er holte seine fehlende schulische Qualifikation nach, bis er schließlich vor einem Jahr in den Rang eines Lieutenant befördert wurde.«
»Nicht schlecht für einen Underdog aus dem Hafenviertel von Baltimore. Da soll nochmal jemand sagen, dass die Army keine Karriere ermögliche. Interessant wird es, wenn Sie seine psychologische Beurteilung sehen.«
Levy blätterte weiter. Er überflog die einzelnen Stellungnahmen seiner Vorgesetzten und Ausbilder und fasste zusammen: »Aus dem zur Gewalt neigenden Hitzkopf ist mit der Zeit ein verlässlicher, in sich ruhender Stratege geworden, der ein großes Potenzial in sich trägt … Was bedeutet das bei einem Marine?«
»Dass er ein willfähriger Kandidat für die kommenden Kampfeinsätze ist. Wenn Sie sich die eigentlichen Aufgaben von Fernspähern betrachten und wofür sie letztlich bei der Operation Iraqi Freedom herhalten mussten, so lässt diese Beurteilung einige Schlüsse zu.«
»Die da wären?«
»Späher bei den Marines haben eine Sonderausbildung nach der anderen hinter sich gebracht. Die wenigen, die es bis zum Schluss schaffen, sind mit normalen Maßstäben eigentlich nicht mehr greifbar. Schmerz, physisch wie psychisch, spielt am Ende der Ausbildung für einen Späher überhaupt keine Rolle mehr. Er hat so viel ertragen müssen, dass alles, was danach kommt, ihm wie eine weitere, gewohnte Übungseinheit vorkommt.
Ihr Job ist es, hinter die Linie des Feindes zu kommen, seine Stellungen auszukundschaften und alle notwendigen Informationen für den Angriff an die nachrückenden Einheiten zu melden. Dabei ist jeglicher Feindkontakt zu vermeiden.
Wofür Späher aber überhaupt nicht ausgebildet sind, ist, aus ungepanzerten Fahrzeugen heraus frontal in feindliche Stellungen hineinzufahren und sie in Feuergefechte zu verwickeln.
Und genau das haben sie im Irak getan.«
»Wieso das?«
»Entgegen ihrer Ausbildung, entgegen der Kampftaktik aller anderen Verbände und entgegen den Plänen der Kommandeure hatte sich das Verteidigungsministerium für diese Vorgehensweise entschieden.«
»Was steckte dahinter?«
»Die Idee, eher noch die Notwendigkeit, diesen vermeintlich kurzen Feldzug durch kleine und mobile Einheiten schnell über die Bühne zu bringen. Die dadurch frei gewordenen Ressourcen hielt man in der Hinterhand, um sie für den nächsten Kriegseinsatz zur Verfügung zu haben.«
»Bei einer Kriegsdauer von nur drei Wochen ist dieser Plan ja auch aufgegangen.«
»Kommt drauf an, wie man es sieht. Wenn Sie als Späher entgegen ihrer Ausbildung in feindliche Stellungen getrieben werden, so könnte man Sie auch als Kanonenfutter bezeichnen. Und zum Zweiten erleben wir seit Jahren, dass wir es nicht geschafft haben, den Irak zu befrieden.
Aber das ist es gerade, was die irakische Zivilbevölkerung von uns, ihren Befreiern, erwartet. Stattdessen haben wir das Land ins Chaos gestürzt. Schlimmer hätte es für uns nicht laufen können. Mittlerweile hat uns dieser Krieg über 300 Milliarden Dollar gekostet, das Vierfache der ursprünglichen Schätzung.«
»Klingt nach einem Fiasko.«
»Das ist es auch. Wie ich gestern erfahren habe, haben sechs
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