Code Freebird
zielte auf die verdächtige Türangel.
Der Schuss sprengte das dünne Metall weg, eine Explosion folgte, die ringsum alles erzittern ließ. Die Druckwelle war so stark, dass ihnen Gesteinsbrocken über die Straße hinweg um die Ohren flogen.
Als sich der Rauch verzogen hatte, blickten sie in ein mannshohes Loch, durch das lässig ein Humvee gepasst hätte.
Diese Tür, vor der sie der Blade Runner gewarnt hatte, war ihr ganz persönlicher Eingang zur Hölle gewesen. Niemand außer ihm hatte den Draht bemerkt, und jeder wusste, dass sie ohne seine Aufmerksamkeit ihre Heimat, ihre Kinder und Frauen nicht mehr gesehen hätten.
»Danke, Blade«, sagte Boyle.
Alle anderen, sogar Bad to the Bone, schlossen sich ihm an.
Muhammed riss die Augen auf. Es klopfte an seine Tür. »Öffnen Sie, bitte«, hörte er eine Stimme vom Gang rufen.
»Gehen Sie weg«, rief er zurück.
»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Ja, verdammt. Was soll sein?«
»Ich mache mir Sorgen. Sie haben so laut geschrien.«
»Was habe ich?«
»Sie haben gerufen: ›Tu es nicht‹, ›Mörder‹ und solche Sachen.«
Er war im Delirium, hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Muhammed zwang sich zur Ruhe. »Es ist alles in Ordnung. Ich habe nur schlecht geträumt.«
Die Frau wartete noch einen Moment. Dann: »Wenn Sie Hilfe brauchen, klopfen Sie gegen die Wand. Ich habe das Zimmer neben Ihnen.«
Muhammed krümmte sich. Der Schmerz hatte seinen Körper fest im Griff. Mit letzter Kraft rief er: »Danke.«
Er rollte sich zur Seite, kam mit den Knien auf den Boden. Aufstehen war das Schwerste. Er drückte sich an der Bettkante ab. Seine Beine zitterten unter dem Gewicht.
Vom Bettgestell aus waren es nur zwei Schritte zum Tisch. Der erste gelang, beim zweiten verließ ihn die Kraft. Den Stuhl konnte er gerade noch fassen. Er zog ihn zu sich und setzte sich. Jetzt noch nach der Tischkante greifen und den Tisch heranziehen.
Doch wie sollte er den Löffel ruhig halten, während die Kerzenflamme das Heroin verflüssigte? Disziplin und Kontrolle. Das hatte er bei seinen Jungs gelernt. Selbst unter größten Schmerzen war es möglich. Er musste sich konzentrieren, die verbliebene Kraft auf diesen einen Vorgang fokussieren. Den Schmerz ausschalten, als sei er nicht vorhanden. Der Körper wehrt sich gegen den Verstand, hörte er sich sagen. Zwing ihn, auf deinen Willen zu hören. Er muss gehorchen.
Als das Heroin in seine Venen strömte, hatte er gesiegt. Über sich, seinen Körper und die Angst.
Er löste den Gummischlauch, erhob sich und legte sich zurück auf die Pritsche. Jetzt war vieles leichter. Er schloss die Augen. Ins Schwarze hinein mischten sich wunderschön anzuschauende kleine Explosionen.
Für Bad to the Bone war es der krönende Abschluss eines der schönsten Tage seines Lebens gewesen. Er hatte seinem Kampfnamen alle Ehre gemacht, so wie die anderen auch. Nachdem sie die Häuser in ihrer Straße überprüft hatten, war ihr Bodycount mit Händen nicht mehr zu zählen. Und dieser Tag war noch nicht vorbei. Auf der Hauptstraße war der Kampf noch voll im Gange. Mittlerweile waren über fünf Stunden vergangen, und aus der anfangs gemeldeten Handvoll Fedajin mussten über hundert, wenn nicht doppelt so viele geworden sein. Auf der Straße türmten sich die toten Leiber der Iraker auf. Nicht nur Männer.
Die Pflicht der GIs war vorüber, der Hinterhalt ausgehoben. Jetzt kam die Kür. Als letzte verzweifelte Gegenwehr schickten die Fedajin Jugendliche mit Sprengstoffgürteln am Leib auf die amerikanischen Stellungen zu. Manche von ihnen schafften nicht einmal die Hälfte der Strecke und explodierten mitten auf der Straße. Die Zünder waren zu kurz eingestellt. Andere hingegen waren von ihrer Sache bis in den Tod überzeugt. Sie trugen den Zünder in der Hand. Sie würden ihn erst auslösen, wenn sie einen Amerikaner erreicht hatten. Genau diese zu allem entschlossenen Halbwüchsigen galt es auszuschalten.
Der Befehl kam direkt von Captain Herbert. Jeder Trupp sollte zwei Mann für diese Aufgabe abstellen, während die anderen weiter nach versteckten Fedajin suchen sollten.
Bad to the Bone meldete sich freiwillig. Boyle ließ ihn ziehen. Auf Cromley und den Predator konnte er nicht verzichten. Sie waren kampferfahren und reagierten zuverlässig. So blieb der Blade Runner übrig.
Die beiden bezogen Stellung in einer ausgebombten Erdgeschosswohnung. Von hier aus hatten sie einen guten Blick auf den Straßenbereich, für den sie
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