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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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anderer Stelle
wiedererstehen. Kein Windstoß zerstreut sie. Ich hefte den Blick fest auf die
Straße, die in meiner Erinnerung hier einmal verlaufen ist. Vorhin, als ich auf
der Weide gelandet bin, habe ich nicht aufgepasst und bin gegen einen Stein
gestoßen. Nur dass es kein Stein war, sondern ein Totenschädel. Er kullerte
davon und blieb mit dem Gesicht nach oben liegen, und lange konnte ich den
Blick nicht von den Zähnen wenden, die ganze Zeit fragte ich mich, wem sie wohl
mal gehört haben. Meine würden unter solchen Umständen wohl ganz ähnlich
aussehen.
    Aus Gewohnheit bleibe ich auf der Straße, aber das ist
keine gute Idee, denn überall liegen Überreste der Menschen, die versucht
haben zu fliehen. Einige wurden vollständig eingeäschert. Andere, die
wahrscheinlich im Qualm erstickt sind, entkamen der schlimmsten Feuersbrunst
und liegen nun in unterschiedlichen Stadien der Verwesung da und stinken vor
sich hin, bedeckt mit Fliegen, Beute für die Aasfresser. Ich habe
dich getötet, denke ich, während ich an den Haufen vorbeigehe. Und dich.
Und dich.
    Denn das habe ich. Es war mein Pfeil, abgeschossen auf den
wunden Punkt im Kraftfeld um die Arena, der diesen Feuersturm der Vergeltung
verursacht, ganz Panem ins Chaos gestürzt hat.
    In meinem Kopf hallen die Worte von Präsident Snow nach,
die er an dem Morgen sprach, als die Tour der Sieger begann: »Katniss
Everdeen, das Mädchen, das in Flammen stand - von dir ist ein Funke
ausgegangen, der sich, wenn wir uns nicht darum kümmern, zu einem Inferno
auswachsen könnte, das Panem zerstört.« Man sieht, er hat nicht
übertrieben oder geblufft, um mich einzuschüchtern. Vielleicht wollte er mich
wirklich nur einbinden, meine Hilfe gewinnen. Aber das, was ich in Gang gesetzt
hatte, ließ sich nicht mehr kontrollieren.
    Feuer, immer neues Feuer, denke ich
benommen. In der Ferne stoßen die Brände in den Kohleminen schwarzen Rauch aus.
Doch es ist niemand mehr da, der sich darum kümmern könnte. Neunzig Prozent der
Bevölkerung im Distrikt sind tot. Die verbliebenen etwa achthundert Menschen
leben als Flüchtlinge in Distrikt 13 - was, soweit es mich betrifft, im Grunde
bedeutet, heimatlos zu sein.
    So dürfte ich nicht denken, ich weiß. Ich müsste dankbar
dafür sein, wie wir - krank, verletzt, hungernd und mit leeren Händen - dort
aufgenommen wurden. Trotzdem kann ich einfach nicht verdrängen, dass Distrikt
13 an der Zerstörung von 12 maßgeblich beteiligt war. Das nimmt mir bestimmt
nicht meine Schuld - ich habe viel Schuld auf mich geladen. Aber ohne die
Rebellen wäre ich nicht Teil eines größeren Plans zum Sturz des Kapitols
geworden, ich hätte gar nicht die Mittel dazu gehabt.
    Die Bürger von Distrikt 12 besaßen keine eigene
organisierte Widerstandsbewegung. Sie hatten mit alldem nichts zu tun. Sie
hatten nur das Pech, dass sie mich hatten.
Manche der Überlebenden sind glücklich, endlich weg zu sein aus Distrikt 12,
in Freiheit. Den ewigen Hunger und die Unterdrückung hinter sich gelassen zu
haben, die gefahrvollen Minen, die Peitsche von Romulus Thread, dem letzten
Obersten Friedenswächter von Distrikt 12. Sie betrachten es als Wunder, dass
sie überhaupt ein neues Zuhause haben, denn bis vor Kurzem wussten wir nicht
mal, dass es Distrikt 13 überhaupt noch gibt.
    Das Verdienst der Flucht gebührt nach einhelliger Meinung
Gale, obwohl er sich sträubt, das zu akzeptieren. Sobald das Jubel-Jubiläum
vorbei war - das heißt, sobald ich aus der Arena gezogen worden war -, wurde in
Distrikt 12 der Strom abgestellt, die Bildschirme wurden schwarz, und im Saum
wurde es so still, dass die Leute den Herzschlag ihres Nachbarn hören konnten.
Niemand regte sich, um zu protestieren oder das Geschehen in der Arena zu
bejubeln. Trotzdem tauchten binnen einer Viertelstunde am Himmel Hoverplanes
auf und es hagelte Bomben.
    Gale hatte die Idee mit der Weide, einem der wenigen Orte
im Distrikt, die nicht mit alten, in Kohlenstaub eingebetteten Holzhäusern
bebaut waren. Dorthin trieb er so viele Leute, wie er konnte, einschließlich
meiner Mutter und Prim. Er stellte eine Gruppe zusammen, die den Zaun
niederriss - der nun, da der Strom fehlte, nur noch aus harmlosem Maschendraht
bestand -, und führte die Menschen in den Wald. Er brachte sie an den einzigen
Ort, der ihm einfiel: den See, den mein Vater mir als Kind gezeigt hat. Von
dort aus schauten sie zu, wie in der Ferne die Flammen alles, was sie von der
Welt kannten, verschlangen.
    Als der

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