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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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was hätte ich heute davon? Ein reines Gewissen? Ich glaube nicht. »Dürfte man sich die Teufel austreiben lassen, gehen die Engel möglicherweise mit aus«, sagte Rilke in scharfsichtiger Verurteilung einer zukünftigen Fernsehindustrie und dem Exorzismus der Selbsthilfebücher.
    Vielleicht ist es dem Einfluß meiner Mutter zu verdanken, daß ich mich mehr für die Menschen interessiere, denen ich zu Lob und Dank verpflichtet bin, als für die, die ich in Bausch und Bogen verdammen könnte. Damit kein falscher Eindruck entsteht, im Gegensatz zu meiner Mutter kann ichGift und Galle spucken, wenn es beispielsweise um jene aufgesetzte, hinterfotzige und gefährliche Ramschversion des Mystizismus in unserem Jahrhundert geht, diesen Hokuspokus von Runen, Tarot, Horoskopen, Telepathie, geistlosem Geschwätz, das Gefasel über eine »Öffnung des Bewußtseins« und anderen Dünnschiß. Da ist es vorbei mit aller Nachsicht und Milde. Es gibt genügend Themen, über die ich mich mit grausamer Polemik und Angriffslust hermachen kann, nur was die Vergangenheit betrifft, sehe ich darin keinen Sinn. Hätte man mich nachweislich mißbraucht, und zwar im weitläufigsten Sinn dieser so häufig mißbrauchten (ha!) Vokabel, würde ich darüber vielleicht anders denken – aber wie die Dinge stehen und wie ich unermüdlich wiederholt habe, geht der Vorwurf vor allem an mich selbst: Ich war derjenige, der Vertrauen, Liebe, Zuneigung und sich selbst mißbraucht hat.
    Äußerlich gesehen war mein Leben als Sixth Former entspannter. Mit meinen fünfzehn Jahren wurde es allerdings auch mit jedem Tag komplizierter. Meine Gefühle für Matthew waren unverändert. Der stürmische Taumel unseres flüchtigen sexuellen Abenteuers wiederholte sich kein zweites Mal, und wir redeten auch nie darüber. Ich weiß bis heute nicht, warum es dazu gekommen war. Vielleicht hatte er mein tiefes Empfinden für ihn erahnt und geglaubt, es basiere auf sexueller Lust, so daß er die Sache möglichst schnell hinter sich bringen wollte, weil er meine Freundschaft schätzte. Vielleicht war es reine Gefälligkeit. Vielleicht war er auch einfach ein gesunder vierzehnjähriger Junge, der an einem flotten Quickie nichts auszusetzen hatte. Vielleicht empfand er für mich das, was ich für ihn empfand. Ich werde es nie wissen, und damit lassen wir die Sache auf sich beruhen. Bleiben wird mir zumindest eins ... die Erinnerung an seine Hitze, die Hitze, wenn er verschwitzt vom Sportplatz zurückkehrte, die Hitze aus der Tiefe seines Rachens, die Hitze unter seinen Achseln und die Hitze in der Hitze des Gefechts jenesflüchtigen Augenblicks. Und die Erinnerungen selbst, werden sie je eines Tages ihre Hitze verlieren?
    Ich gehörte zu den drei ersten, die in Trog Richardsons brandneuem Theater in Uppingham die Bühne betraten. Eingeweiht wurde das Theater mit einer Inszenierung von Macbeth , in der Patrick Kinmonth, Adrian Corbin und ich in der Rolle der drei Schicksalsschwestern auftraten (Ehrenwort, schicksalhaftere hat es nie gegeben). Seit meiner Lektüre von Stanislawskijs Die Kunst des Theaters in der Übersetzung von David Magarshak stand für mich fest, daß ich Schauspieler werden wollte.
    Gordon Braddy, der die Regie führte, hatte uns Hexen die Wahl eines eigenen Kostüms überlassen, bereute diese Entscheidung allerdings, als ich verkündete, mir schwebe da ein Kostüm mit roher Leber, Lunge, Nieren, Herz, Milz und anderen Innereien vor, die ich mir mit frischem Gedärm um den Leib binden wollte. Zudem brachte ich den Vorschlag ein, wir könnten doch richtige Froschaugen und echte Molchzungen aus dem Kessel fischen. Das wurde als unzumutbar abgelehnt, aber mit meinem Innereien-Kostüm konnte ich mich durchsetzen. Das eigentliche Kostüm bestand aus einzelnen PVC-Streifen. Kinmonth, der heute ein hochangesehener Maler ist, brachte mit Leichtigkeit eine nicht weniger extravagante Kostümierung zustande, und auch Corbin schnippelte irgendwas aus Plastik zusammen, das er sich um den Leib hängen konnte. Bis heute verfolgt mich mein zusammengestückelter Alptraum aus Christine Keeler trifft auf den kleinen roten Mörder aus Wenn die Gondeln Trauer tragen , und ich schwöre, der Gestank verwesender Eingeweide hängt noch heute in der Künstlergarderobe unter der Bühne, da ich zwischendurch immer mal wieder vorbeigeschaut habe.
    Das erste Wiedersehen fand 1981 statt, kurz nachdem ich Cambridge verlassen hatte und mit Hugh Laurie, EmmaThompson, Tony Slattery und dem

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