Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
[ 1 ]
So viele Muskeln«, sage ich zu Gerda. Vor uns müht sich ein lächelnder Fleischberg damit ab, gleichzeitig mit den Beinen Gewichte zu heben und mit den Armen irgendein folterwerkzeugartiges Gerät nach außen zu drücken. Gerda knurrt Unverständliches und fotografiert.
»Wenn das Gerät zuschnappt, ist der Kopf Matsch«, versuche ich sie aufzuheitern.
»Das ist sein unempfindlichster Teil«, murmelt sie zurück.
Hans Hiller, der Besitzer des get.moving, steht neben zwei durchgestylten Frauen in Pink, redet flüsternd auf sie ein und deutet dabei immer wieder auf uns. Offenbar protzt er damit, dass Leute vom »Magazin« bei ihm eine Reportage über den Fitnessboom machen.
»Sie müssen den Kopf etwas höher halten«, sagt Gerda zum Fleischberg. »Das Ganze noch einmal bitte.«
Ihm stehen Schweißperlen auf der Oberlippe, der gewaltige Brustkorb hebt und senkt sich wie vor einem Hustenanfall. Macht meine Fotografin das absichtlich? Er hebt den Kopf, lächelt und macht noch einmal die Übung, von der ich mir nicht gemerkt habe, wie sie heißt. Ich finde, dass es für meine Fitness ausreicht, wenn ich jeden Tag die Stiegen zu meiner Altbauwohnung in den fünften Stock hinaufsteige.
»Na ja, ich denke, wir haben es«, sagt Gerda muffig. Üblicherweise ist sie gut aufgelegt, quirlig. Sie ist die aus unserem Fotografenteam, mit der ich in letzter Zeit am liebsten arbeite, nicht nur, weil sie ein gutes Auge für Reportagebilder hat. Aber wahrscheinlich geht ihr diese Fleischaufbereitungsanlage genauso auf den Geist wie mir. Ich mache eine entsprechende Bemerkung. Gerda schüttelt den Kopf. »Nein«, erwidert sie, »finde ich ganz okay, einmal abgesehen von unserem Monstermodel, eigentlich sollte ich mich einschreiben, regelmäßige Bewegung täte mir gut.«
»Welche Laus ist dir denn heute über die Leber gelaufen?«, frage ich.
»Könntest du eigentlich auch machen.« – Ein kritischer Blick fällt auf meine Hüften. Ich sollte längere Jacken zu den Jeans tragen.
»Das ist nichts für mich.«
»Wie willst du das wissen? Es gibt hier auch einen Laufklub und einen für Nordic Walking.«
»Oskar nennt das ›bewaffneten Wandertag‹«, erwidere ich. Was Sport angeht, sind Oskar und ich einer Meinung: Selbstbestätigung kann man sich auch woanders holen.
»Ja, ich werde mich einschreiben, das wird mir gut tun«, ignoriert Gerda meine Bemerkung und sieht beinahe wieder fröhlich aus.
»Ärgern sie dich in der Redaktion?«, versuche ich abzulenken. Nicht alle unsere Fotografen sind feinfühlende Gentlemen.
»In der Redaktion? Ach so, nein, da läuft alles wunderbar.« Gerda seufzt. »Daheim. Da ist es schön langsam nicht mehr auszuhalten.«
Hans Hiller kommt lächelnd auf uns zu und reibt sich die Hände, offenbar überschlägt er im Geist schon, wie viel ihm unser Bericht als Gratiswerbung einbringen wird. Immerhin ist das »Magazin« die auflagenstärkste Wochenzeitung im Land. »Kann ich noch etwas tun für Sie?«
Gerda ist am Zusammenpacken, ich danke.
»Wenigstens einen unserer neuen Fitnessdrinks an der Bar. Hochwertige biologische Frucht- und Gemüsesäfte, auf Wunsch auch mit entsprechenden Vitamin- und Aufbaustoffzusätzen.«
»Fällt das nicht unter Doping?«, spöttle ich.
»Wo denken Sie hin?«, lächelt er breit. »Die besten Stärkungsmittel liefert uns die Natur.«
»Plus Vitaminzusatz«, lästere ich weiter.
»Ich möchte beitreten«, sagt Gerda, »für ein halbes Jahr.«
»Gerne, sehr gerne«, erwidert Hiller und reibt sich erneut die Hände, vielleicht war er früher Friseur. »Und was ist mit Ihnen?«, meint er eilfertig in meine Richtung.
Ich schüttle bloß den Kopf, das ist nichts für mich.
»Ich gebe Ihnen einen Monat gratis – gilt natürlich für beide.«
Wir sind an der Health-Bar angelangt, ein schicker Junge in Weiß reicht Hiller ein Schnurlostelefon, der deutet, man möge uns servieren, was unser Herz begehre, und taucht in einen Raum hinter der Bar ab.
»Komm schon«, nervt Gerda, »täte dir gar nicht schlecht, etwas Fitnesstraining.«
»Ich passe da nicht herein.«
»Sieh dich doch um, die sind doch auch nicht alle perfekt gebaut.«
Herzlichen Dank.
»In unserem Alter sollte man etwas mehr für sich tun.«
Darunter verstehe ich: gut essen, auf Urlaub fahren, lesen, kochen.
»Du wirst sehen, etwas regelmäßige Bewegung, und du nimmst automatisch ein paar Kilo ab – und kannst essen, so viel du willst.«
Das ist schon eher ein Argument, das bei mir
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