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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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einen wehmütigen Blick auf das ausgetretene Paar am Boden warf, das aussah, als warte es auf Godot, »die sind so bequem, daß ich sie gleich anbehalte!«
    Als ich eine Tür weiter an einem Juweliergeschäft vorbeikam, fiel mir ein, daß meine Armbanduhr billig und häßlich aussah.
    Der überaus hilfsbereite Verkäufer zeigte mir zuerst eine schicke, modische Ingersoll, zwar ganz nett, aber keine zehn Pfund wert.
    »Hätten Sie nicht noch etwas Eleganteres ?« fragte ich. Kaum war der kleine Kerl hinter der Ladentheke abgetaucht, um eine Präsentierschale herauszuziehen, schnappte ich mir die Ingersoll und rannte aus dem Laden.
    Ein gelungener morgendlicher Einkaufsbummel, dachte ich bei mir, während ich aus dem Einkaufszentrum eilte, aber leicht strapaziös für die Nerven. Zeit für eine Runde Fernsehen und einen Teller Club-Sandwiches im Hotel.
    Ich nahm an der Rezeption meinen Schlüssel in Empfang und hopste beschwingt die Treppe hoch. Ich mochte zwar achtzehn sein, dachte ich, aber deswegen brauchte ich noch lange keinen Fahrstuhl. Ich hatte noch Saft und Kraft.
    Ich schloß die Tür auf und war überrascht, einen Mann in meinem Zimmer zu sehen.
    »Nur keine Umstände«, sagte ich beim Eintreten. »Könnten Sie vielleicht später saubermachen? In einer Stunde bin ich wieder weg.«
    In dem Moment trat ein zweiter Mann aus der Badezimmertür. Gleich zwei Männer in meinem Zimmer. Und beide in grauen Anzügen.
    »Mr. Bridges?« sagte der erste.
    »Ja.«
    »Mr. Edward Bridges?«
    »Genau der.«
    Mein Gott, wie blöd kann man eigentlich sein? Bis sie sich vorstellten, kam mir nicht eine Sekunde in den Sinn, bei den beiden könnte es sich um etwas anderes als männliche Zimmermädchen in einem leicht seltsamen Outfit handeln.
    »Polizei, Sir. Wir haben den begründeten Verdacht, daß Sie sich in betrügerischer Absicht der gestohlenen Kreditkarte eines Mr. Edward Bridges aus Solihull bedienen.«
    »Aha«, sagte ich lächelnd.
    Im gleichen Moment schossen mir Tausende Liter giftiger Säure aus allen Poren und fiel ein tonnenschweres Bleigewicht von meinen Schultern.
    »Ja. Ja«, sagte ich. »Ich denke, Sie liegen da völlig richtig.«
    »Wenn Sie bitte mitkommen möchten, Sir? Sie befinden sich unter Polizeiarrest und werden sich auf der Wache einer Strafanzeige stellen müssen.«
    Ich war überglücklich, so überschwenglich, wahnsinnig und grenzenlos glücklich, daß ich gesungen oder getanzt hätte, wenn ich auch nur eins von beiden gekonnt hätte. Ich war frei. Endlich war ich frei. Ich ging auf eine Reise, bei der andere für mich entscheiden würden, für mich denken würden und meinen Tag planen würden. Ich ging zurück in die Schule.
    Ich kicherte fast vor lauter Nervenkitzel, als man mir wie im Fernsehen die Handschellen anlegte, eine für mein rechtes Handgelenk, die andere für das linke des Polizisten.
    »Wenn Sie bitte Ihre Hand in meine Jackentasche stecken, Sir, Sie verstehen ...«
    Aber sicher. Das Hotel . Der Anblick eines in Handschellen abgeführten jugendlichen Straftäters war alles andere als gute Reklame für das Wiltshire Hotel in Swindon. Aneinandergekettet und mit je einer Hand in seiner linkenTasche stiegen wir die Treppe hinab, gefolgt von seinem stummen Kollegen, der meinen Koffer trug.
    Die beiden Frauen an der Rezeption verfolgten auf Zehenspitzen stehend meinen Abgang. Ich warf ihnen ein kurzes, trauriges und sanftes Lächeln zu. Und wissen Sie, was passierte? Eine von ihnen, die ältere der beiden, womöglich selbst Mutter, lächelte zurück. Und zwar eins der warmherzigsten Lächeln, das man mir je geschenkt hatte.
    Ich ging davon aus, in einen wartenden Polizeiwagen geschoben zu werden, aber nein, wir liefen einfach weiter, und ich sah auch bald, warum. Direkt gegenüber vom Hoteleingang, keine dreißig Schritte entfernt, stand ein großes Gebäude mit einem blauen Schild.
    POLIZEIWACHE WILTSHIRE
    »Ich hoffe, man räumt mir für den kurzen Weg zum Einsatz mildernde Umstände ein«, sagte ich.
    Der zweite Polizist lächelte. Ich lächelte, alle lächelten. Ein absolut glorreicher Tag.
    »Mildernde Umstände dafür, daß man so blöd sein kann, direkt vor den Augen der Polizei eine Straftat zu verüben?« sagte der Polizist. »Das bedeutet eher Strafverschärfung. Wir stehen nämlich auf echte Herausforderungen, weißt du.«
    Für den Moment beschäftigte mich nur der eine Gedanke, meine Identität geheimzuhalten. Meinetwegen konnten sie gegen John Doe Strafanzeige erheben, oder

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