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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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zum Reading-Festival zu machen und der ebenso aufregenden wie unheimlichen möglichen Begegnung mit Matthew ins Auge zu sehen.
    Meine Reise nach Reading endete in einer Stadt, an deren Namen ich mich nicht einmal mehr erinnere. Ich war dort in einem Billighotel abgestiegen, das an Trostlosigkeit noch den düstersten Alptraum übertraf. Zweifellos beziehen die Erbauer dieser Sorte von Absteigen ihre Inspiration aus den düstersten Alpträumen anderer Leute. Wie ein Sukkubus bereichern sie sich an fremden Nachtmahren und lassen sie an den Ringstraßen sterbender Städte wiedererstehen.
    Erst als ich im Speiseraum dieses seelenlosen Machwerks aus Melamin und Artex saß und den letzten Bissen Steak und Salat mit einem Schluck Bier hinunterspülte, ging mir auf, daß es der vierundzwanzigste August 1975 war. Mein achtzehnter Geburtstag.
    Es war mein achtzehnter Geburtstag. Ausgerechnet an diesem Ort war ich volljährig geworden. Ich war achtzehn. Nicht mehr der Fünfzehnjährige, der die Lyrik, die Schönheit der Algebra und den Verrat und Schrecken des Erwachsenwerdens entdeckte. Nicht mehr der Vierzehnjährige, dessen Leben durch die Liebe aus den Fugen geriet. Nicht mehr der durchtriebene Zwölfjährige, der sich zur Beschaffung von Süßigkeiten vom Schulgelände stahl. Nicht mehr der selbstbewußte Achtjährige, der einen neuen Mitschüler im Zug unter seine Fittiche nahm. Nicht mehr der komische kleine Kerl, dem die Tränen flossen, weil sein Maulwurf durch einen Esel aus dem Rennen geworfen wurde, und der sich nicht in die Klasse des Direktors wagte, weil er Angst vor den Großen hatte. Nicht mehr der schlitzohrige kleine Pimpf, der im Unterricht die Hosen herunterließ und mit seinem Freund Tim Rudies spielte. Ich war ein Achtzehnjähriger auf der Flucht. Kaum besser als ein vorbestrafter Jugendlicher. Ein gemeiner Dieb, der anderen durch Diebstahl, Betrug, Feigheit und Arglist das Leben vermieste. Ein Mann. Ein Mann, der für alle seine Machenschaften die Verantwortung trug.
    Ich ging auf mein Zimmer, ließ über den Zimmerservice eine Halbliterflasche Whiskey kommen und betrank mich zum ersten Mal in meinem Leben bis zur Besinnungslosigkeit. Abgefüllt bis zum Rand, und das unter den elendsten, erschreckendsten und traurigsten Bedingungen, die man sich nur vorstellen kann. Wie ein Handlungsreisender in einer jämmerlichen Klitsche aus Beton und Rauchglas, eine Apokalypse orangefarbener Polster, brauner Vorhänge und elastischer Spannbettücher aus Nylon. Kaum hatte ich den Whiskey wie Wasser in mich hineingeschüttet, eilte ich zum Waschbecken und fügte dem Ambiente in würgenden Stößen meinen Anteil an stinkender Kotze hinzu.
    Meine Schwester erzählte mir später, daß dieser Tag, der Tag meines achtzehnten Geburtstags, der schlimmste Tag überhaupt in Booton gewesen sei. Zum ersten Mal war ichan meinem Geburtstag nicht zu Hause, und das ausgerechnet an meinem achtzehnten. Meine Eltern hatten absolut keine Ahnung, wo ich mich herumtrieb und was ich machte. Seit ich die Brookes verlassen hatte, konnte ihnen niemand mehr etwas über meinen Verbleib sagen. Sie hatten bei der Polizei eine Vermißtenanzeige aufgegeben, auch wenn sie sich keine Illusionen machten, daß dies im England von Johnny Go Home , wo nahezu stündlich Meldungen über vermißte Teenager im Radio kamen, reichlich zwecklos war. Als aber der vierundzwanzigste August anbrach, der Tag meines achtzehnten Geburtstags, so erzählte mir Jo, war meine Mutter den ganzen Tag über untröstlich und weinte und schluchzte wie ein verlorengegangenes Kind, genau wie bei mir die Tränen fließen, während ich dies in den Computer tippe. Ich weine über die Schande, den Schmerz, die Grausamkeit, den Wahn und immer wieder erneut über die unermeßliche Schande. Ich weine für alle Mütter, gestern, heute und morgen, die am Geburtstag ihres Kindes alleine dasitzen und nicht wissen, wo ihr geliebter Junge oder ihr kleines Mädchen sind, wer bei ihnen ist oder was sie gerade machen. Und ich weine für alle großen Kinder, die sich selbst und alle Hoffnung aufgegeben haben und in Eingängen schlafen, irgendwo auf Betten liegen und mit drogenumnebeltem Entzücken oder kaltem Stupor die Decke anstarren oder von Selbsthaß zerfressen ihren achtzehnten Geburtstag in Einsamkeit verbringen. Und schließlich weine ich über den Tod der Adoleszenz, den Tod der Kindheit und den Tod der Hoffnung: Über ihr Dahinscheiden können gar nicht genug Tränen vergossen

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