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Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Er konnte sich an P. G. Wodehouse erinnern, der in der Ecke an seinem Cocktail nippte, oder an F. Scott Fitzgerald, wie er sich sturzbetrunken über den Tresen gelehnt, eine Flasche Whiskey geschnappt und sie wie ein Holzfäller seine Axt geschwenkt hatte, sowie an zahllose weitere unglaubliche und glanzvolle Anekdoten. Aber alle diese Dinge bedeuteten Ron nichts im Vergleich zu einem Duccio oder Donatello. Er zeigte mir Dias von Bildern von Mantegna und Corregio oder von Freskenzyklen von Masaccio und Giotto, die er mitsamt einem kleinen Guckkasten unter dem Tresen verwahrte, und erzählte mir vom wichtigsten Buch in seinem Leben, dem größten Buch über Kunst überhaupt, wie er mir versicherte, Reitlingers The Economics of Taste . Er versorgte mich großzügig mit Erdnüssen, Oliven und Cornichons, während er schwärmend erzählte und Bilder vorführte und ich ihm zuhörte. Ich saß da in meinem neuen blauen Anzug, trank Tomatensaft und rauchte Edward-VII-Zigarren und hatte eine Zeitlang das Gefühl, genau hierherzugehören. Heute ist die American Bar des Ritz ein Kasino-Club, dessen Mitglied ich seltsamerweise bin. Manchmal lasse ich mich mit Hugh Laurie dort blicken und schieße den Mindesteinsatz von fünfzig Pfund beim Blackjack in den Wind. Einmal war ich mit Peter Cook dort, dem man feierlich ein Paar Schuhe statt seiner weißen Turnschuhe reichte.
    »Wie«, sagte Cook, »ich soll meine glückbringenden Reeboksausziehen? Niemals!« Also zogen wir weiter ins Crockford’s.
    London wurde mir allerdings bald verleidet. In einer Spielhölle am Piccadilly wurde ich von einem fünfzigjährigen, widerlichen Typen, der ununterbrochen blöd kicherte, heftigst angebaggert, ein Erlebnis, vor dem mir nachhaltig graute, vor allem deshalb, weil ich nahe daran gewesen war, auf das Angebot einzugehen und dem Kerl nach Hause zu folgen. Wir befanden uns auf dem Weg zu einem Taxistand an der Regent Street, als ich plötzlich weiche Knie bekam, die Sherwood Street entlangstürzte und mich ins tiefste Soho verirrte, fest davon überzeugt, daß er mich verfolgte und jeder Sex-Shop-Besitzer sein Freund war, der mich jederzeit packen und ihm ausliefern könnte. Der arme Kerl zockelte unterdessen vermutlich von Angst und Schrecken gepeinigt in einem Taxi nach Hause, nicht weniger fest davon überzeugt, daß ich schnurstracks ins West End Central geeilt war und der Polizei gerade eine detaillierte Personenbeschreibung unterbreitete.
    Schließlich beschloß ich, daß mein Schicksal in einem Besuch von Uley beschlossen lag. Vielleicht würde ich dort irgend etwas finden, das mir weiterhelfen konnte. Irgendeinen Hinweis. Oder die Chance, ein unbekanntes Gespenst zur Strecke zu bringen.
    Ich kann nicht einmal sagen, wonach ich eigentlich suchte. Mir bleibt allein die Feststellung, daß der Höhepunkt dieser Geschichte wie in einem Roman an den Ort des Anfangs zurückkehrt. Das Leben imitiert manchmal die Form eines Romans, wie um sich über die Anstrengungen von Autoren lustig zu machen, die im Bemühen, ihre Romane lebensnah zu gestalten, die einfache Symmetrie und den billigen Abklatsch der Realität verschmähen.
    Ich machte mich also auf nach Uley und traf dort auf das Personal, das trotz der Sommerferien in der Schule geblieben war. Ich verbrachte einige Tage mit Schwester Pinder in ihrem kleinen Cottage und traf mich abends auf ein paar Biermit Paddy und Ian Scott-Clarke im Pub. Natürlich gab es für mich in Uley nichts zu entdecken. Die Angestellten wußten vermutlich von meinem Rausschmiß in Uppingham und dürften gerätselt haben, was um alles in der Welt ich in Uley zu suchen hatte. Die niederschmetternde Demütigung ihres vorsichtigen, bloß keine Fragen stellenden Verhaltens, mit dem sie mir begegneten, ließ mich bald wieder aufbrechen, diesmal in Richtung Cotswold zu den Dörfchen Boughton-on-the-Water und Moreton-in-the-Marsh.
    In einem Bed & Breakfast-Hotel in Moreton-in-the-Marsh fiel mir meine zweite Plastikkarte in die Hände; sie steckte in der Innentasche eines achtlos im Flur aufgehängten Jacketts, als hätte sie nur darauf gewartet, von jemandem wie mir gestohlen zu werden. Diesmal war es eine Access-Card, deren Einsatz weit einfacher war und deren Unterschrift sich zudem viel leichter imitieren ließ als die von Patrick Brooke.
    Ich hatte einen Koffer, einen Anzug aus London, eine Handvoll weiterer Kleidungsstücke, ein paar Bücher und unbegrenzte Finanzmittel zu meiner Verfügung. Jetzt war es Zeit, sich auf

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