Columbus war ein Englaender
Geschlagene drei Minuten fixierte er bloß diese Taube und schwieg. Wir warfen uns fragende Blicke zu. Schließlich flatterte das Vieh davon. Abbot wandte sich wieder der Klasse zu.
»Ich werde nicht dafür bezahlt«, sagte er, »Tauben zu unterrichten.«
School House war der Sitz des Direktors, eines außergewöhnlichen Mannes namens John Royds, der früher einmal Oberst in der Indischen Armee und Orde Wingates Adjutant in Burma gewesen war. Er war eher klein, strahlte aber eine unerschütterliche Autorität aus und besaß alle ehrfurchtgebietenden Eigenschaften eines Rektors, beispielsweise dieFähigkeit, seinen Talar unheilvoll knistern zu lassen, oder die Art, sich telegrafisch kurz, knapp und beißend auszudrükken. Sein Schwarzes Brett im Säulengang war vollgespickt mit flatternden Notizen, ausnahmslos säuberlich getippt mit einer IBM-Kugelkopf:
Betrifft: Das Tragen von Reversnadeln
Abgelehnt.
JCR
Oder
Betrifft: Der Geburtstag Ihrer Majestät
Gefeiert wird am heutigen Tag. Hurra etc. Die Freude sei grenzenlos.
JCR
Oder
Betrifft: Verschmutzung des Old School Room
Wir sind dieses Themas überdrüssig. Aber Vorsicht:
Unsere Wachsamkeit ist unermüdlich.
JCR
Und so weiter. Jeden Morgen trat er aus dem Haus, ging mit festen und steifen Schritten, die eine qualvolle Arthritis verbargen, in den Garten und schnitt dort eine rote Rose ab, die er sich ins Knopfloch seines anthrazitgrauen Anzugs steckte. Einmal erkrankte er an einer Gürtelrose und mußte rund um die Uhr eine tiefschwarze Sonnenbrille tragen, also auch während des Unterrichts, was ihm in Kombination mit seinem düsteren Anzug das finstere Aussehen eines Alan Bändel in Arabeske oder die lässige Coolness eines Tarantino-Killers avant la lettre gab.
Für das Anmeldeformular von Uppingham brauchte man ein Paßbild jüngeren Datums. Bis zum Schulbeginn hatte Royds die Bilder eingehend studiert und kannte sämtliche Gesichter und Namen der Neuzugänge.
Alle diese Dinge würde ich natürlich erst später erfahren. Fürs erste hatte ich den Diener-Test bestanden und fand mich auf dem Schulgelände zurecht. Alles andere war nebensächlich.
Peter Pattrick war hochzufrieden mit mir, was er dadurch zum Ausdruck brachte, daß er mir freudig und stolz auf denArm boxte. Immer gut bei Kasse (er gehörte zu den von mir beneideten Jungen, die ständig per Post exorbitante Schecks aus irgendwelchen geheimen Treuhandfonds und Aktien zugestellt bekamen, als ob das Leben für ihn ein glänzend verlaufendes Monopoly-Spiel sei, bei dem er lauter erfreuliche Gemeinschaftskarten erwischte – ich erinnere mich noch dunkel, daß ich mich Jahre später heillos bei ihm verschuldete), konnte Pattrick es sich leisten, mich zu der größten Sause einzuladen, die die untere Kantine je gesehen hatte. Unglücklicherweise bestellte er für mich, neben Eiern, Bacon und Würstchen, auch eine Riesenportion Pommes frites. Nun gehöre ich zu den wenigen Menschen, die absolut nicht auf Pommes frites stehen. Daher sank mein Mut, als ich sah, daß er mir dabei zusehen wollte, wie ich den ganzen Berg bis auf den letzten Fettkrümel hinunterwürgte.
In solchen Situationen machte sich mein jahrelanges Schmökern in allen möglichen Büchern über Magie wirklich bezahlt. Seit Bootons Büchereibus zum ersten Mal vor unserem Haus vorgefahren war, hatte ich sämtliche Zauberbücher verschlungen, die ich in seinen Regalen entdecken konnte. Meine »magischen Talente«, wie Zauberkünstler ihre Techniken nennen, sind zwar keineswegs ausgereift, und selbst ein simpler Kartentrick erfordert bei mir die gleiche Übung, die ein Konzertpianist in das Einstudieren neuer Stücke investiert, aber auf das Ablenken der Zuschauer verstehe ich mich ausgezeichnet. Also machte ich mich daran, Pattricks Aufmerksamkeit immer wieder auf dies und das zu lenken, indem ich etwa mit meiner Gabel auf einen Jungen zeigte, der gerade zur Tür hereinspazierte, und nach seinem Namen fragte, während ich mit der anderen Hand blitzschnell eine Ladung Pommes frites grapschte und sie auf die Serviette in meinem Schoß fallen ließ.
Magie, ganz besonders die vor staunendem Publikum vollführten Taschenspielertricks, ist eine Kunstform, die ich sehr bewundere, auch wenn nicht vergessen werden darf, daßnahezu sämtliche Techniken ursprünglich in betrügerischer Absicht entwickelt wurden. Fast alle Kniffe und Tricks, die zum Standard-Repertoire eines Taschenspielers gehören, wurden im neunzehnten Jahrhundert von
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