Commissario Montalbano 11 - Die Flügel der Sphinx
Raisi?«
»Wenn ich mit Blaulicht und Sirene fahre, schon.«
Es war schlimmer als das Rennen von Indianapolis. Gallo brauchte achtundfünfzig Minuten und vierzehn Sekunden.
»Hast du kein Gepäck?«, fragte Capuano.
Montalbano schlug sich fest gegen die Stirn. Den Koffer hatte er im Kofferraum seines Autos vergessen.
Kaum waren sie in der Luft, überfiel ihn ein bösartiger Hunger.
»Haben Sie irgendwas zu essen?«, flehte er.
Die Stewardess brachte ihm eine Schachtel Kekse. Damit musste er sich zufriedengeben.
Und danach begann er im Geist noch einmal die Worte durchzugehen, die er zu Livia sagen würde, damit sie ihm verzieh. Bei der dritten Wiederholung kamen sie ihm so überzeugend, so bewegend vor, dass ihm beinahe Tränen in die Augen traten.
Er lehnte sein Ohr an Livias Wohnungstür, und dabei pochte sein Herz so laut, dass er glaubte, das ganze Haus aufzuwecken. Pattapumm, pattapumm, pattapumm. Sein Mund war wie ausgetrocknet, vielleicht wegen der Heftigkeit seiner Gefühle, vielleicht aber auch wegen der Schachtel Kekse. Hinter der Tür war nichts zu hören. Kein laufender Fernseher, nichts, absolute Stille. Vielleicht war sie schon schlafen gegangen, müde und zornig über die vergebliche Reise. Da klingelte er, und sein Finger zitterte ein bisschen. Nichts. Er klingelte noch einmal. Nichts.
Seit dem ersten Jahr ihrer Bekanntschaft hatten sie ihre Wohnungsschlüssel ausgetauscht und trugen sie immer bei sich.
Er nahm sie, sperrte auf und ging hinein.
Und ihm wurde augenblicklich klar, dass Livia nicht da war. Dass sie nach dem Abflug am Vormittag nicht mehr in ihre Wohnung zurückgekehrt war. Das Erste, was er sah, war das Handy auf dem Tisch in der Diele. Sie hatte es vergessen, deshalb also hatte sie nie auf seine Anrufe geantwortet.
Und jetzt? Wohin war sie gefahren? Wie konnte er sie ausfindig machen? Wo sollte er mit den Nachforschungen beginnen? Aller Mut verließ ihn, die Müdigkeit überkam ihn unversehens und seine Knie wurden butterweich. Er ging ins Schlafzimmer und legte sich hin. Er schloss die Augen, machte sie aber gleich wieder auf, weil das Telefon auf dem Nachttisch klingelte. »Hallo?«
»Ich wusste es! Ich wusste es! Ich hab's doch geahnt, dass du so dumm und vertrottelt bist und nach Boccadasse kommst!«
Das war Livia, und zwar eine ziemlich wütende. »Livia! Du weißt ja gar nicht, wie oft ich versucht habe, dich zu erreichen. Du hast mich fast in den Wahnsinn getrieben! Von wo rufst du an? Wo bist du?«
»Als ich gesehen habe, dass du nicht da warst, habe ich den Bus genommen. Was denkst du wohl, wo ich bin? In Marinella! Siehst du, da soll mal wieder alles nach deinem Kopf gehen, und dann veranstaltest du ein solches Durcheinander, dass…«
»Hör zu, Livia, wenn du nicht das Handy vergessen hättest, hätte ich…«
Und sie begannen eine ihrer herrlichen Streitereien, ganz so wie früher.
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