Commonwealth-Saga 2 - Die Boten des Unheils
von der Stelle.
Ozzie und Tochee wechselten sich im Laufe der Nacht ab und hielten Wache, um sicher zu gehen, dass sich das Was-auch-immer nicht unbemerkt näherte. Es war Ozzie, der die Wache von Mitternacht bis zum frühen Morgen hatte. Er saß auf einem flachen Felsbrocken neben dem Zelt, gekleidet in seine Kordhosen und das karierte Hemd und hatte den Schlafsack um die Schultern gewickelt wie eine Decke. Der Fluss glitt leise murmelnd durch sein Bett, und hin und wieder war ein leises Schnauben von Tochee zu vernehmen, das Alien-Äquivalent von Schnarchen. Darüber hinaus herrschte die tiefe, absolute Stille, die Ozzie in seinem ganzen restlichen Leben stets mit dieser Welt assoziieren würde.
Aus dem wolkenlosen Himmel schien eine leuchtende Vielzahl von Sternen herab. Ozzie hatte in seinem ganzen Leben noch nie so viele Sterne auf einmal gesehen, nicht einmal, als er von einer neuen Commonwealth-Welt zur anderen gereist war, bevor die Luft kontaminiert war mit der Umweltverschmutzung und dem Licht der neu entstehenden Zivilisationen. Ein dunstiger Nebel, vier- oder fünfmal größer als der irdische Mond, weckte seine besondere Aufmerksamkeit. Er war an einem Ende gebogen, mit einem rötlichen Fortsatz, der vom Hauptnebel weg zeigte. Ozzie konnte sich nicht daran erinnern, je ein astronomisches Phänomen wie dieses gesehen zu haben, jedenfalls nicht so nah beim Commonwealth, dass man es mit bloßem Auge am Nachthimmel erkennen konnte. Er nannte den Nebel Teufelsschwanz. Eine Schande nur, dass es niemand je erfahren würde.
In den letzten Stunden vor Einbruch der Dämmerung hörte er Stimmen. Er setzte sich augenblicklich auf, unsicher, ob er vielleicht eingedöst war. Vielleicht war es der Anfang eines Traums gewesen. Doch es waren keine menschlichen Stimmen, oder zumindest sprachen sie keine Sprache, die Ozzie vertraut war.
Der Lichtfleck hatte sich nicht von der Stelle bewegt. Ozzie schaltete seine Retinaimplantate auf Infrarot und blickte sich langsam um, während er sich einmal vollständig um die eigene Achse drehte.
Die Stimmen kamen erneut. Das war definitiv kein Traum. Sie jagten an ihm vorüber, und er drehte sich so rasch, dass er fasst das Gleichgewicht verloren hätte. Mehrere Stimmen, die durcheinander redeten. Eine nicht-menschliche Sprache. Sie klangen drängend. Verängstigt.
Doch es waren nur die Stimmen, sonst nichts. Nichts rührte sich im Canyon. Nichts Körperliches.
Beinahe hätte Ozzie, »Wer ist da?«, gerufen – nur, dass dies dann wirklich aus einer seiner nächtlichen Horror-DVDs hätte kommen können. Dumm.
Flüstern glitt an ihm vorbei, und irgendetwas – irgendjemand –, das sich in die Ferne zurückzog. Ozzie ließ seinen Schlafsack fallen und streckte die Hände aus, konzentrierte sich auf sie, versuchte zu fühlen, ob sich die Luft bewegte, irgendeine angedeutete Regung. Er schloss die Augen; seine visuellen Sinne waren nicht länger von Nutzen für ihn. So stand er dort, lauschte und fühlte die Luft. Das Geräusch wiederholte sich, und die alte Phrase kam ihm in den Sinn, Stimmen im Wind. Er hörte, was gesagt wurde, und wiederholte die Worte leise. Es machte keinen Unterschied. Sie strichen an ihm vorüber, ohne ihn zu beachten.
In dieser Haltung fand Orion ihn, als der Morgen dämmerte und Tageslicht über die Canyonwände fiel. Reglos mit ausgestreckten Armen wie eine religiöse Statue, die Worte in einer fremden Sprache murmelte. Der Knabe krabbelte aus dem Zelt, richtete sich auf, rieb sich den Schlaf aus den Augen und gähnte. »Was machst du da?«
Ozzie seufzte und ließ die Arme mit einer verdächtig nach Yoga aussehenden ausschweifenden Bewegung sinken. Er bedachte Orion mit einem unergründlichen Grinsen. »Ich habe mit Geistern geredet.«
Orions Kopf ruckte erschrocken herum, doch da war nichts. »Ist alles in Ordnung, Ozzie? Hast du dir den Kopf gestoßen oder was?«
»Nicht seit damals in dieser Bar auf Lothian, und das ist Jahre her. Diese Welt ist verwunschen.«
»Jetzt komm schon, Ozzie! Das ist nicht lustig! Nicht hier. Diese Welt ist unheimlich!«
»Ich weiß, Kumpel, es tut mir Leid. Aber ich habe etwas gehört, wie eine Gruppe von Leuten oder Aliens, die sich miteinander unterhalten haben.«
»Die Silfen?«
»Nein, die Sprache der Silfen kenne ich. Diese Sprache kannte ich nicht; ich habe kein Wort verstanden. Aber man bekommt ein Gefühl, wenn man auf den Klang lauscht. Sie waren traurig oder verängstigt, vielleicht auch
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