Conan der Befreier
hallte dumpf durch das purpurbehangene Gemach.
Kurz darauf wurde ein Vorhang zurückgezogen. Hsiao, der Khitan, trat ein. Die Arme in den weiten Ärmeln seines wallenden grünen Seidengewands verborgen, verbeugte er sich stumm und wartete auf die Anweisungen seines Herrn.
»Wartet der Graf von Thune noch im Vorgemach auf mich?« fragte der Zauberer.
»Herr, Graf Ascalante harrt der Ehre, mit Euch sprechen zu dürfen«, versicherte ihm der gelbe Diener.
Thulandra Thuu nickte. »Ausgezeichnet! Ich werde in Kürze für ihn Zeit haben. Sag ihm, ich erwarte ihn im Sphinxgemach. Und du begibst dich unmittelbar danach zum König und sagst ihm, ich ersuche um eine Audienz in einer dringenden Staatsangelegenheit! Du hast meine Erlaubnis zu gehen.«
Wieder verbeugte sich Hsiao tief und zog sich zurück. Den Vorhang schob er wieder an seinen Platz zurück, so daß er die Tür verdeckte, durch die er gekommen war.
Das Gemach der Sphinxe, das Thulandra Thuu aus einem unbenutzten Zimmer im Palast für seine eigenen Zwecke hatte ausstatten lassen, trug seinen neuen Namen zu Recht. In seiner Kahlheit wirkte es fast gruftähnlich. Seine Wände und der Boden waren aus rosa Marmor. Außer einem Kalksteinsessel an einer Wand enthielt es kein sichtbares Mobiliar. Dieser Sessel, wie ein Thron geformt, wurde getragen von aus zwei Steinen gehauenen katzengleichen Ungeheuern mit menschlichen Köpfen. Dieses Motiv wiederholte sich in den kostbaren Teppichen, die an der Wand hinter dem Thron hingen. Von ihnen schauten zwei riesige Katzen, kunstvoll mit glitzernden Fäden gewirkt, mit bärtigen Männerköpfen und kalten hochmütigen Augen herab. Das einzige Licht in diesem kalten Gemach kam von zwei Fackeln in kupfernen Haltern. Der flackernde Schein spiegelte sich tänzelnd in den Silberspiegeln an der Wand dahinter.
Ascalante, Offizier, Abenteurer und selbsternannter Graf von Thune, war den Sphinxen gar nicht so unähnlich. Er war hochgewachsen, von geschmeidiger Gestalt und in violetten Samt gekleidet. Mit der Grazie von Katzen strich er durch das Gemach. Trotz seiner soldatischen Haltung und höflichen Miene waren seine Augen genau wie die der gewirkten Ungeheuer kalt und hochmütig, doch sie waren auch wachsam und verrieten eine Spur Furcht.
Seit geraumer Weile schon wartete Ascalante auf eine Audienz mit dem allmächtigen Zauberer unbekannter Herkunft. Obgleich Thulandra Thuu Ascalante von der östlichen Front zurückbeordert und zum Hof bestellt hatte, ließ der Hexer ihn doch mehrere Tage vor dem Audienzsaal warten. Jetzt aber sah es ganz so aus, als würde der Zauberer sich endlich herablassen, mit ihm zu sprechen.
Plötzlich zuckte Ascalante zusammen. Instinktiv schoß eine Hand zum Dolchgriff. Einer der Wandbehänge hob sich und offenbarte eine schmale Tür, aus der ein schlanker, dunkelhäutiger Mann trat und ihn schweigend musterte. Die kühlen, intelligenten Augen schienen in der Lage zu sein, die Gedanken seines Gegenübers zu lesen, als wären sie auf seine Stirn geschrieben. Ascalante gewann seine Haltung zurück und verbeugte sich höfisch vor dem Zauberer. Thulandra Thuu trug einen kunstvoll geschnitzten Stab, der mit ineinanderverschlungenen, fremdartigen Symbolen verziert war.
Ohne Eile durchschritt Thulandra das Gemach und ließ sich auf dem Sphinxthron nieder. Er erwiderte die Verbeugung des anderen mit einem flüchtigen Nicken und schwachen Lächeln und sagte: »Ich hoffe es geht Euch gut, Graf, und die erzwungene Untätigkeit hat Euch nicht allzusehr ermüdet.«
Ascalante murmelte eine höfliche Antwort.
»Graf Ascalante«, fuhr der Hexer fort, »Eure Erfahrung und Eure Leistungen entgingen jenen nicht, die an fernen Orten als meine Augen und Ohren dienen, genausowenig wie Eure Ambitionen und Euer Wunsch nach einem hohen Posten, auch nicht der gewisse Mangel an Skrupel, der Euch helfen soll, diese Stellung zu erreichen. Ich muß noch schnell hinzufügen, daß der König und ich diese Ambitionen und Eure ... ah ... praktische Denkweise gutheißen.«
»Habt Dank, mein Lord«, erwiderte der Graf mit einer Haltung, die sich der Verbindlichkeit des Hexers anpaßte.
»Ich werde sofort zur Sache kommen«, erklärte Thulandra Thuu, »denn die Dinge stehen nicht still, und die Sterblichen müssen sich bemühen, sich stets auf dem laufenden zu halten. Also, in Kürze, die Situation ist folgende: Seine Majestät hat sich entschlossen, dem ehrenwerten Amulius Procas, dem Oberbefehlshaber der Grenzlegion, Seine Gunst
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