Conan der Freibeuter
erreicht haben mußte. Links und rechts des Korridors, in den sie jetzt gekommen war, befanden sich Zellen mit kupfernen Gitterstäben. In der Düsternis vermochte sie mehr schlecht als recht Gefangene zu sehen. Einige stöhnten oder wimmerten, doch die meisten verharrten stumm.
In die ersten paar Verliese spähte das Mädchen, doch der Anblick war so abscheuerregend, daß sie die Augen abwandte und nur noch geradeaus schaute. Einige der Gefangenen waren fast zu Skeletten abgemagert, als hätten sie seit Jahren nur gerade genug zu essen bekommen, um nicht zu sterben. Manche stierten aus leeren Augen unter verfilztem Haar vor sich hin. Alle waren schmutzverkrustet und einige von grauenvollem Ausschlag entstellt. Von manchen waren gar nur abgenagte Gebeine geblieben, das Werk der Ratten.
Nach einer Biegung des Korridors riß Chabela plötzlich die Augen weit auf. In einer Zelle, auf die ihr Blick gefallen war, lag Conan der Cimmerier.
Wie angewurzelt blieb sie stehen und blinzelte verwirrt. Sie glaubte, ihren Augen nicht trauen zu können. Aber es war tatsächlich der Cimmerier, der hingeworfen auf dem Stroh des Bodens lag.
Sie befürchtete schon, er sei tot, so reglos lag er. Doch als ihre Augen sich an die Düsternis der Zelle gewöhnt hatten, sah sie, daß seine Brust sich hob und senkte. Ganz offensichtlich war er bewußtlos.
Zögernd rief sie seinen Namen, aber nichts als ein Schnarchen antwortete ihr. Sie wollte die Zellentür öffnen – natürlich war sie fest verschlossen.
Chabela wußte nicht, was sie tun sollte. Jeden Moment mochten Nzingas Wachen waffenrasselnd um den Korridor biegen und sie hier finden. Das Klügste wäre gewesen, weiterzueilen. Aber sie konnte den tapferen Freibeuter, der sie von der namenlosen Insel gerettet hatte, schließlich nicht einfach seinem Schicksal überlassen.
Wieder rief sie leise und verzweifelt seinen Namen – da fiel ihr Blick auf einen irdenen Krug an der Wand. Eine vorsichtige Fingerprobe verriet ihr, daß er bis oben mit kaltem Wasser gefüllt war – sicher das, das an die bedauernswerten Gefangenen verteilt werden sollte.
Chabela schleppte das Gefäß zu Conans Zelle und hob es hoch. Glücklicherweise lag der bewußtlose Cimmerier mit dem Gesicht fast direkt an den Gitterstäben, so konnte sie das Wasser ohne große Mühe über seinen Kopf schütten. Hustend und brummend kam Conan zu sich. Ächzend stützte er sich auf einen Ellbogen und setzte sich benommen auf.
»Was, bei Ymirs eisiger Hölle ...«, knurrte er. Sein noch etwas stumpfer Blick fand das bleiche verstörte Gesicht der nackten zingaranischen Prinzessin. Er wurde hellwach.
»Ihr? Was, in Croms Namen, geht vor, Mädchen?« Er blickte sich verblüfft um. »Wo, bei den elf scharlachroten Höllen, sind wir hier? Ich verstehe überhaupt nichts. Mein Schädel fühlt sich an, als hätte ihn jemand wie einen Ball herumgestoßen ...«
Mit knappen Worten beschrieb die Zingarierin, was ihr widerfahren war. Conans Augen verengten sich, während er nachdenklich über sein Kinn strich.
»Also hat Nzinga etwas in meinen Wein gegeben! Ich hätte es erwarten müssen! Verflucht sei ihr eifersüchtiges schwarzes Herz! Sie wollte nicht, daß ich vorzeitig erwachte und sie vielleicht daran hinderte, Euch zu züchtigen. Mein Gemach in ihrem Harem fand sie offenbar nicht sicher genug, so ließ sie mich hierher schleppen und einstweilen einsperren.« Er betastete das Stroh. »Noch ganz frisch. Offenbar beabsichtigt sie, mich als ihren Liebhaber zu behalten, mich wieder in Gnaden aufzunehmen, nachdem sie Euch aus dem Weg geräumt hat.«
»Was können wir denn nur tun, Kapitän Conan?« fragte Chabela fast wimmernd. Nach allem, was sie mitgemacht hatte, war ihr bisher beachtlicher Mut geschwunden.
»Tun?« knurrte Conan und spuckte auf den Boden. »Zusehen, daß wir rasch von hier wegkommen. Tretet zur Seite!«
»Was habt Ihr denn nur vor? Ich habe doch keinen Schlüssel ...«
»Zur Hölle mit Schlüsseln!« knurrte er und legte die Prankenhände um einen Gitterstab. »Dieses Zeug hier ist aus weichem Kupfer und bereits so alt, daß Korrosion eingesetzt hat. Wenn sie schon tief genug gedrungen ist, brauche ich keine Schlüssel. Also, los!«
Conan drückte einen Fuß gegen einen Gitterstab, krümmte die Schultern und zog an dem Stab, den seine Hände umklammerten – er war dicht mit Grünspan überzogen. Die ganze gewaltige Kraft seines Rückens, seiner Schultern und der muskulösen Arme legte er in diesen
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