Conan-Saga 05 - Conan und der Spinnengott
wußte, daß das in Tempeln nicht ungewöhnlich war, wo Tiere entweder den Göttern geopfert oder zu Wahrsagungszwecken ausgeweidet wurden. Deshalb achtete er nicht weiter auf diesen unangenehmen Verwesungsgeruch.
Nachdem er den Cimmerier durch ein verwirrendes Labyrinth von Korridoren geführt hatte, hielt Morcant an einer Eichentür an, vor der ein einzelner brythunischer Söldner Wache hielt, und klopfte. Auf das »Herein« öffnete er die Tür und bedeutete Conan einzutreten.
Hinter einem kunstvoll verzierten Schreibtisch saß ein Mann in weißem Turban und beschäftigte sich im Licht einer Öllampe mit den Papyri vor sich. Als Conan vor ihm stramm stand, hob der Mann den Kopf. »Ja, mein Sohn?« sagte er.
Conan zuckte unwillkürlich, aber kaum merklich zusammen und wollte nach dem Säbel greifen, der nicht mehr von seinem Gürtel hing, denn der Mann war kein anderer als Harpagus, der ihn in den Marschen von Mehar in hypnotischen Schlaf geschickt hatte.
Harpagus schien ihn nicht zu erkennen. Conan faßte sich. Ihm wurde bewußt, daß von seinem Gesicht kaum etwas zu sehen gewesen war, als er die Zamorier in den Marschen traf, denn er hatte das Helmturbantuch als Hakkiyyah über den Kopf gewunden und ins Gesicht gezogen gehabt. Selbst beim Essen mit Harpagus und seinen Männern hatte er es nicht abgenommen, sondern lediglich den Teil um Mund und Kinn hochgehoben und in die Seitenfalten geschoben, weil er sich vor den lästigen Insekten schützen wollte.
Mühsam unterdrückte er den Haß auf den Mann, der ihn hereingelegt und ausgeraubt hatte, und sagte mit ruhiger Stimme: »Ich bin Nial, ein Söldner aus dem Grenzkönigreich. Da ich hörte, daß der Tempel Soldaten anwirbt, kam ich in der Hoffnung hierher, daß Ihr Verwendung für mich habt.«
Der Beturbante schüttelte sanft den Kopf. »Ihr kommt um vierzehn Tage zu spät, mein Sohn. Auch Hauptmann Catigern erfuhr, daß wir Soldaten suchten, und da es in Brythunien zur Zeit friedlich zugeht, kam er mit seinen Freien Kameraden hierher.«
»Das hörte ich. Aber, Eure Eminenz, ich brauche eine Stellung, denn mein Säckel ist so gut wie leer und ich muß ihn wieder füllen, ehe ich anderswo einen Posten suchen kann.«
Harpagus strich sich über das schmale Kinn. »Der Tempel brauchte einen tüchtigen Buchhalter. Versteht Ihr etwas von dieser Art von Arbeit?«
Nun schüttelte Conan den Kopf. »Ich kann keine Zahlenreihe zweimal zusammenzählen, ohne nicht zu verschiedenen Ergebnissen zu kommen.«
»Nun, denn – ah! Wir hätten auch für einen Hufschmied Arbeit, zumindest eine Zeitlang. Unserer liegt an einem schlimmen Fieber danieder. Versteht Ihr davon etwas?«
Jetzt blitzten Conans Zähne in einem breiten Grinsen. »Mein Vater war Schmied und ich jahrelang sein Geselle, als ich noch zu Hause war.«
»Gut! Ausgezeichnet! Zweifellos habt Ihr die Kraft dazu. Ihr könnt gleich heute zu arbeiten anfangen. Der Brythunier wird Euch in die Schmiede bringen, um die sich einstweilen Pariskas Lehrling gekümmert hat, er kann auch für Euch den Blasebalg treten und dergleichen tun.«
Nachdem Lohn und Unterkunft für Conan und Unterbringung für Ymir ausgemacht waren, sagte Harpagus: »Wir sind uns also einig. Doch noch eines, mein Sohn. Ihr müßt verstehen, daß für jene, die im heiligen Yezud leben, dreierlei nicht gestattet werden kann: berauschende Getränke, Glücksspiele und Weibergeschichten. Und alle müssen versprechen, wenigstens alle zehn Tage an den Gottesdiensten für den heiligen Zath teilzunehmen.« Der Vikar hielt inne und runzelte die Stirn. »Bin ich Euch nicht schon irgendwann zuvor einmal begegnet?«
Conan spürte, wie sich ihm die Nackenhärchen aufstellten, aber er antwortete scheinbar gleichmütig: »Ich glaube nicht, Eure Eminenz – außer zufällig in Nemedien oder Brythunien, wo ich als Söldner diente.«
Harpagus schüttelte den Kopf. »Nein, in diesen Ländern war ich noch nie. Trotzdem, Eure Stimme erinnert mich an jemanden, den ich flüchtig kannte ... Aber es ist unwichtig. Geht jetzt mit dem Posten zu Eurer neuen Unterkunft und dann in die Schmiede. Ihr werdet feststellen, daß sich genug Arbeit angesammelt hat, um keine Langeweile aufkommen zu lassen.«
»Etwas noch, Eure Eminenz. Ich hätte gern meinen Säbel zurück, den ich am Tor abgeben mußte.«
Harpagus lächelte dünn. »Ihr bekommt ihn wieder. Einem Schmied die Waffe zu verbieten, wäre genauso, als nähme man einem Dichter die Verse weg – er würde neue
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