Cora Historical Gold 129 - Die Novizin
vor der Äbtissin auf die Knie und ergriff ihre Hand. »Habt Dank für Euer Vertrauen. Ich werde Euch nicht enttäuschen.«
»Ich weiß, mein Kind.« Etwas verlegen tätschelte die Äbtissin Eloises gesenktes Haupt und trat gleich darauf einen Schritt zurück. »Ich bin sicher, dass Ihr ein gerechtes und gründliches Urteil fällt. Vor allem müsst Ihr Euch genügend Zeit lassen. Beurteilt den Mann oder die Verhältnisse nicht vorschnell. Vergesst nicht, dass der Schein oft trügt. Findet heraus, was echt an dem Mann ist und wie es wirklich um seine Verhältnisse bestellt ist – das ist eine Aufgabe, die zumindest einen Monat genauester Beobachtung erfordert … wenn nicht gar zwei … oder drei …« Sie hielt inne, um sich zu räuspern, und ließ die Hände in ihre Ärmel gleiten.
»Nun zu den Einzelheiten. Ihr werdet das volle Habit unseres Ordens tragen.«
»Ich? Ein volles Habit?«
»Schwester Archibalda und ich haben das ausführlich besprochen. Auch wenn es ungewöhnlich ist, so glauben wir doch, dass es Euch in der Außenwelt besser schützt. Und Ihr sollt eine andere Schwester als Begleiterin haben, eine ältere und gesetztere, als Hilfe und Gesellschaft. Geht nun zur guten Schwester Montgrief und holt Euch Eure neuen Kleider ab. Ihr müsst Euch sputen.« Sie überreichte Eloise die Schriftstücke. »Der Earl brennt darauf, so bald wie möglich aufzubrechen.«
Die Lederhülle an den Busen gepresst haltend, stürzte sich Eloise auf Archibalda und herzte sie mit dem freien Arm, wortlos, aber tränenreich, um ihr für den Part zu danken, den diese bei der Entscheidung gespielt haben mochte. Dann eilte sie hinaus.
Ein leichtes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht der Mutter Oberin aus und ging in ein zufriedenes Schmunzeln über. Sie sah zu Schwester Archibalda hinüber, die ihrerseits sehr ernst dreinschaute.
»Kein Wort von Euch.« Sie erhob drohend den Zeigefinger.
»Ihr habt Ihr nichts von dem Fluch erzählt.«
»So es denn einen gibt.«
»Der Priester schien ihn doch ernst zu nehmen«, erklärte Schwester Archibalda.
Die Äbtissin rümpfte die Nase. »Ein schlichter Prediger ohne Lateinkenntnisse ist das. Und die erspähen bekanntlich Satan hinter jedem Gebüsch.«
Schwester Archibalda wiegte vorwurfsvoll den Kopf, doch nicht einmal die Missbilligung ihrer Freundin konnte der anderen die Freude vergällen.
»Ich habe getan, was ich tun musste.« Sie setzte sich auf ihren Fensterplatz und verschränkte die Arme. »Entweder sie oder ich.«
Eloise eilte den Säulengang entlang und durch die Außengebäude zum Haus der Weberinnen, wo Maria Clematis gerade einige jüngere Mädchen im Bespannen des Webstuhls unterwies. Übermütig flog Eloise der Freundin an den Hals und tanzte mit ihr auf dem mit Flusen übersäten Boden zwischen den Webstühlen umher.
»Lass das, Eloise!« Maria Clematis riss sich los und hielt atemlos inne. »Was ist denn in dich gefahren?«
»Wir fahren nach England, Clemmie, du und ich. Ich prüfe den Earl auf seine Ehetauglichkeit, und du sollst mir dabei helfen.«
Erst spät am Abend, als sich die anderen Reisevorbereitungen allmählich dem Ende näherten, fand Eloise die Zeit, sich die Unterlagen der Äbtissin genauer anzusehen. Sie erkannte, dass ihre Mission, obwohl eine große Ehre, mitnichten leicht war. Es gab seitenweise Eigenschaften und Merkmale zu bewerten, und je länger sie darüber nachdachte, desto überwältigter war sie.
Wer war sie denn, dass sie über einen Edelmann urteilen und entscheiden sollte, ob er einer Braut würdig war oder nicht? Dann wieder bekümmerte es sie, dass die Ehrwürdige Mutter nun endllich eine passende Aufgabe für sie gefunden hatte, bei der sie ihre sauer erworbenen Kenntnisse und natürlichen Begabungen nutzen konnte, sie jedoch davor zurückschreckte.
Reißt Euch zusammen, Mädchen, hörte sie die alte Schwester Archibalda im Geist schimpfen und ihr Mut machen. Das war ihre Chance, der Äbtissin zu zeigen, was in ihr steckte. Nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Mission und der Rückkehr ins Kloster, so hatte die Mutter Oberin ja durchblicken lassen, würde sie ihr Gelübde ablegen dürfen. Und wenn sie das erst einmal hinter sich hätte, könnte sie noch jahrelang unter Beweis stellen, dass sie das Zeug zu einer würdigen Äbtissin hätte.
Nach der Matine schlich Eloise sich mit einer Laterne in die Kapelle und blieb vor dem Altargitter stehen. Allein im friedlichen Dämmerlicht, umgeben vom vertrauten
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