Cosmic Trigger (Band 3)
Arzt zu besuchen. (Bislang habe ich keine ernsthafte Krankheit,
obwohl
ich meine Diät strenger einhalten muss als früher. Dreiundzwanzig
Jahre,
nachdem ich hierher zog, esse ich schließlich mehr oder weniger das,
was alle
Kalifornier essen – oder zumindest esse ich auf diese Weise die meiste
Zeit.)
Als
wir zu seinem letzten Geburtstag
eintrafen, von dem ich nicht wusste, dass er das Ende markieren würde,
waren
einige Freunde und mir unbekannte Leute schon eingetroffen. Einige
schienen Don
durch die Homo-Community zu kennen, andere durch die Computerindustrie.
(Er war
Mitgründer eines Netzwerkes namens CommuniTree. ) An
einem Punkt fragte
ich mich müßig, welche der Gäste zu den Heterosexuellen und welche zu
den
Homosexuellen gehörten.
Wie
viele müßige und bescheuerte
Fragen bewies sie doch ihren Wert, denn ich realisierte mit gewaltigem Nachdruck, wie wenig Homosexualität oder Heterosexualität eigentlich
bedeutet.
Was aber etwas bedeutete, in einer moralischen Dimension, traf mich wie
ein
Beethoven-Akkord: Jeder auf der Party drückte Liebe und Fürsorge und
Güte und
Beistand auf eine fast übermenschliche Art und Weise aus.
All
diese Leute liebten Don und
drückten all das Mitgefühl aus, das aus Menschen edle und
verehrungswürdige
Kreaturen macht.
Don
sprach wenig und konnte nur schwer
seinen Kopf gerade halten, sodass er immer wieder nach vorne überfiel.
Ich sprach
viel mit ihm über intellektuelle Angelegenheiten, erzählte ihm die
neuesten
Witze, berichtete ihm etwas über die Filme, die ich mochte. Er schien
irgendwie
erfreut, mich zu sehen … doch nicht so erfreut, um seine offenbar
depressive
Stimmung zu heben.
Als
wir ihn verließen, hatte ich das
Gefühl, das man nach solchen Anlässen schnell bekommt: Ich hätte
irgendwas
Weiseres sagen sollen oder irgendetwas tun sollen, was ich nicht getan
habe,
oder zurückkommen und ein Wunder vollbringen …
Zwei
Wochen später rief Stan uns an
und erzählte uns, dass Don gestorben sei.
Ich
erinnere mich nicht daran, was ich
daraufhin sagte.
Don
repräsentiert meine zweite
Erfahrung mit dem AIDS-Tod. In den frühen 80ern war ein anderer Freund
von mir
an AIDS gestorben, Mike Symonds, ein Psychologe. Nach dem Tod meiner
Tochter
Luna 1976 war Mike regelmäßig einmal die Woche vorbei gekommen und
sagte, dass
er ‚zufällig in der Nachbarschaft war’ und mit mir reden wolle. Ich
begriff,
dass er seinen Beistand anbot, falls ich ihn brauchen sollte. Ein paar
Diskussionen halfen mir, meine Trauer zu verarbeiten, doch er half mir
sogar
noch mehr mit seinen ausdauernden Besuchen und Hilfsangeboten. Güte
erscheint
mir das schönste Wunder in diesem unverständlichen Universum zu sein.
Zwei
andere Typen, die ich nur
oberflächlich kannte (aber sehr mochte), waren ebenfalls an AIDS
gestorben. Our
Lady of the Flowers, ein katholisches Medium, das die heilige Jungfrau
Maria
channelt, behauptet, dass Jesus diese Krankheit erschaffen hat, um die
Homosexuellen
zu bestrafen. In dieser Hinsicht ist Jesus entweder so dumm wie Forrest
Gump
oder (für mich) ein verschissener Verrückter. Er bringt dann auch eine
Menge
von Heteros um, die Bluttransfusionen zur falschen Zeit bekommen haben.
Ich
weiß nicht, warum irgendein Gott, auch der christliche Gott, Schwule
hassen
sollte. Ich finde die Vorstellung von einem Gott sogar noch
schwieriger, der
derart unterentwickelt ist, dass er mehr oder weniger zufällig tötet,
als einen
Verrückten mit einer automatischen Waffe.
Wie
dem auch sei, so finde ich doch
eine Art grimmigen Humor in dem Bild, das Our Lady of the Flowers
invoziert
hat: Jesus, der ein anbetungswürdiges, pinkes Kleid trägt (wie
gewöhnlich in
der pop-katholischen Kunst dargestellt) und wie ein verrückter
Wissenschaftler
in einem Ed-Wood Film irre lachend ein paar Reagenzgläser hält und
sagt: „Dies
wird ein paar Millionen dieser verdammten Schwuchteln töten! Hahaha!“
Ich bin
immer noch verblüfft, dass viele Leute einen Gott auf diese Weise
anbeten
können. Sie würden jedoch keinem Polizisten vertrauen, der so
vollkommen
bösartig und inkompetent ist, oder?
Tod,
Tod … wie gut habe
ich Dich kennen gelernt …
Mit
36 – genau an meinem Geburtstag –
rief mich mein Bruder aus Florida an und erzählte mir, dass unser Vater
gestorben
sei. Ich erinnere mich, wie ich an meinem Geburtstagskuchen saß und
daran
dachte, dass diese Szene niemals in einer meiner Geschichten auftauchen
würde:
Sie birgt viel zu viel Ironie, als real zu
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